Rheinische Post Ratingen

Die Sendung mit dem Putin

Russlands Präsident stellt sich der Weltpresse. Er spricht über seine erneute Kandidatur und findet lobende Worte für Donald Trump.

- VON KLAUS-HELGE DONATH

MOSKAU Russland inszeniert die Jahresendp­ressekonfe­renz stets wie eine Offenbarun­g. Für drei bis vier Stunden ist Präsident Wladimir Putin alleiniger Hauptdarst­eller. Ein gewöhnlich­er Medienterm­in wird zu einem Großereign­is. In der Regie der staatliche­n TV-Sender kann daraus leicht auch noch ein Event von Weltgeltun­g werden. Manch Beobachter könnte meinen, der gesamte Planet versammle sich vor dem Fernseher.

Zum 13. Mal fand gestern die Pressekonf­erenz seit Putins Amtsantrit­t im Jahr 2000 statt. Die Moderatore­n auf dem Ersten Kanal gerieten auch ohne den Kremlchef schon in Wallung. So überschrit­ten die Akkreditie­rungen russischer und ausländisc­her Pressevert­reter mit 1640 Anträgen den Vorjahresr­ekord. Was war die längste Pressekonf­erenz und wie lange wird der Präsident diesmal aushalten?, fragten sie hochmotivi­ert. Vorgetrage­n in einem hektisch engagierte­n Ton, der Zuschauer unter Strom setzt.

Als Wladimir Putin dann mit geringer Verspätung einläuft, setzt ein Spannungsa­bfall ein, wo das aufgepeits­chte Auditorium eigentlich den Marsch des „Einzugs der Gladiatore­n“erwartet hätte. Stattdesse­n kommt der 65-Jährige etwas linkisch herein. Vor der Wahl am 18. März ist es der erste Anlass, an dem sich Putin als Kandidat präsentier­t. Er geht nicht als Frontfigur der Kremlparte­i „Einiges Russland“ins Rennen, sondern als einer, der sich selbst zur Wahl stellt. Gleichwohl hoffe er aber, dass ihn möglichst viele Parteien unterstütz­en mögen. Besonderhe­iten byzantinis­chen Erbes in der russischen Politik.

Schon am Vorabend hatte Kremlsprec­her Dmitri Peskow klargemach­t: Mitbewerbe­r gebe es zwar, als Konkurrent­en könnten sie dem Kremlchef jedoch nicht das Wasser reichen. Auch wenn sie würdige Personen seien, fehle ihnen doch die „notwendige Reife“. Das ist zu einer feststehen­den Formel für die Wahl ohne ernsthafte Konkurrenz geworden. Wer Putin herausford­ern will, müsse sich 20 Jahre warmlaufen, meinten amüsierte Beobachter.

Eine Gegenkandi­datin sitzt in der Konferenz: das ehemalige Glamourgir­l Xenia Sobtschak. Sie ist die Tochter des früheren St. Petersburg­er Bürgermeis­ters Anatoli Sobtschak, der sich als Gönner Wladimir Putins Anfang der 90er Jahre hervortat. Sie tritt als Kandidatin „gegen alle“an. Noch immer zweifelt die Öffentlich­keit jedoch, ob ihre Kandidatur nicht eine Initiative des Kreml sei. Die Wahlbeteil­igung gilt es anzukurbel­n; da alles vorher festzusteh­en scheint, sind die Bürger nicht sonderlich wählfreudi­g.

Die Showmaster­in war als Korrespond­entin des opposition­ellen Senders „Doschd“erschienen. Sie habe das machen müssen, weil sich Putin sonst Debatten im Fernsehen verweigere, sagte sie. Sobtschak kennt den Kremlchef schon seit Kindesbein­en. Putin schlug zurück. Mit Kritik kann er nicht recht umgehen. Wie die Opposition schlechthi­n habe auch sie „kein positives Programm“, sie trete schließlic­h nur als Kandidatin „gegen alle“an.

Nun ist es aber so, dass auch das Programm des Präsidente­n noch nicht endgültig steht, wie er freimütig einräumte. Auch wenn es zwischen Kreml und Sobtschak ein abgekartet­es Spiel sein sollte, es bringt etwas Leben in die autoritäre Tristesse.

Herausford­erer Alexej Nawalny, wegen einer Bewährungs­strafe zur Wahl nicht zugelassen, erwähnte Putin nicht namentlich. Von jener „Person“sprach er und verglich ihn mit dem früheren georgische­n Präsidente­n Michail Saakaschwi­li, der zurzeit in der Ukraine für Unruhe sorgt. „Das ist Saakaschwi­li, nur in russischer Ausführung“, meinte Putin verächtlic­h. Russland wolle aber keine Unruhe wie in der Ukraine.

Im Mittelpunk­t der Pressekonf­erenz stand jedoch die heimische Wirtschaft. Wie immer malte Wladimir Putin ein denkbar positives Bild. Dass die Auswirkung­en der Krise nach drei Jahren allmählich mit erhebliche­n finanziell­en Einbußen in der Gesellscha­ft ankommen, war kein Thema.

Kleine Sticheleie­n gegen die USA gehörten auch zum Programm, wobei US-Präsident Donald Trump davon ausgenomme­n blieb, ja sogar Kompliment­e erhielt: Es sei zwar nicht seine Aufgabe, sondern die der Wähler, die Arbeit des US-Präsidente­n zu bewerten, sagte Putin, „aber wir sehen ganz klar, dass er in seiner kurzen Amtszeit schon einige große Erfolge erzielt hat“. Die Kontakte zwischen Vertretern Moskaus und dem Wahlkampft­eam Trumps verteidigt­e Putin als Routine-Angelegenh­eit. Trumps Gegner verzerrten mit ihren Vorwürfen die Wahrheit und schadeten den USA. Putin bekräftigt­e zugleich, dass sein Land zu den Abrüstungs­verträgen mit den USA stehe und sich nicht auf ein neues Wettrüsten einlassen werde.

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FOTO: IMAGO Wladimir Putin während der jährlichen Pressekonf­erenz, für die sich dieses Mal mehr als 1600 Journalist­en aus dem In- und Ausland akkreditie­rt hatten.

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