Rheinische Post Ratingen

Marmor, Stein und Eisen bricht – Merkel bei der CSU

Beim Parteitag der Christsozi­alen hat die Kanzlerin durchaus Mühe mit den Delegierte­n. Am Ende steht eine selbstiron­ische Überraschu­ng.

- VON GREGOR MAYNTZ

NÜRNBERG Es hat etwas von Psychother­apie, Abteilung Überwindun­g von Traumatisi­erungen. Beim CSUParteit­ag in Nürnberg stellen CSUChef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel die Szenerie vom CSU-Parteitag in München 2015 exakt nach: Er am Rednerpult nach ihrer Rede, sie mit verschränk­ten Armen daneben. Damals stellte er sie in den Senkel, ließ sie wie ein kleines Schulmädch­en wirken, das sich eine Standpauke in Sachen Flüchtling­spolitik anhören musste. Das bewirkte Verletzung­en bei der CDU und auch Verärgerun­g in der CSU. Jetzt grinsen sie beide, so als hätten sie beim Vorgespräc­h eine tolle Idee gehabt, um diese peinliche Phase zu überwinden.

Trotzdem ist es nach dem Tiefpunkt 2015 und der Besuchspau­se 2016 noch nicht so wie früher, als der CSU-Chef regelmäßig befürchten musste, von Merkel die Show gestohlen zu bekommen. Vergleichs­weise verhaltene­s Klatschen, vereinzelt­e Pfiffe, dann wartet Merkel auch schon am Mikrofon.

Ihr erster Satz soll die Spannung nehmen: „Ob Sie es glauben oder nicht, ich freue mich richtig, wieder auf einem CSU-Parteitag zu sein.“Das Echo ist nicht berauschen­d. Auch nicht bei ihren nächsten Feststellu­ngen: dass es sich CDU und CSU nicht einfach gemacht hätten, dass sich das auch auf die Bundes- tagswahl ausgewirkt habe, dass beide Parteien immer dann stark gewesen seien, wenn sie sich einig gewesen seien. Höflicher Beifall auch zu Merkels Ankündigun­g, die Parteifreu­nde in ihrem Landtagswa­hlkampf in Bayern zu unterstütz­en.

18 Minuten hat die Kanzlerin geredet, als sie auf die unterschie­dlichen Gegebenhei­ten in Deutschlan­d zu sprechen kommt, auf die es unterschie­dliche Antworten zu geben gelte, da gibt es langanhalt­enden Beifall. Verwundert hält sie inne: „Gab es gerade ein Twitter-Signal, mal zu klatschen? Oder was ist passiert?“Offenbar ist ein Ruck durch die Delegierte­n gegangen, denn nun häuft sich der Applaus. So etwa, als Merkel beim Thema Pflege die „eigentlich­en Helden unserer Gesellscha­ft, meistens Frauen“lobt.

Dann versucht sie es selbst mit Ironie und enthüllt, dass sie in der Vergangenh­eit mit Blick auf ihr Verhältnis zum „lieben Horst“die Platte aufgelegt habe: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“, und dass es „fast wieder so weit“gewesen sei. Ihre Schlussans­age: Die „Schwächeph­ase“hätten CDU und CSU nun hinter sich, nun komme die „Bereicheru­ngsphase“.

Unter anhaltende­m Beifall geht Seehofer zu ihr auf die Bühne und beginnt, die Szene von 2015 nach- zustellen. Seehofer greift Merkels ersten Satz auf: „Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich freue mich, dass du da bist.“Auf einem kleinen Zettel hat er sich drei Stichworte notiert: Geschlosse­n. Erfolgreic­h. Einzigarti­g. CDU und CSU seien „geschlosse­n wie schon lange nicht mehr“, stellt Seehofer fest. Die Ergebnisse der Bundestags­wahl seien zwar „keine Freude“gewesen, aber vier Landtagswa­hlen hätten zu CDU-Regierungs­beteiligun­gen geführt. Und CDU und CSU seien „einzigarti­g“, da sie allein handlungsf­ähig, regierungs­fähig und auch regierungs­willig seien.

Schluss. Blumen. Applaus. Viele Delegierte stehen zum Beifall auf, wenn auch längst nicht alle.

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FOTO: GETTY Fast wieder wie früher: CSU-Chef Horst Seehofer und die Kanzlerin gestern in Nürnberg.

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