Rheinische Post Ratingen

Fotos machen Kunstgesch­ichte

Das fotografis­che Werk der in Düsseldorf beheimatet­en Erika Kiffl geht ins „Afork“über. Für die Fotografin erfüllt sich ein Lebenstrau­m.

- VON ANNETTE BOSETTI

Ganz schön lange hat das gedauert, genau genommen 66 Jahre. Seit 1951 wohnt sie ja schon in der Stadt. „Jetzt bin ich ein Teil von Düsseldorf“, sagt Erika Kiffl in diesen Tagen. Sie hat eine Nachricht erhalten, in dieser Zeitung davon erfahren, dass ihr jahrzehnte­langer Kampf um Anerkennun­g aufgegange­n ist, ein glückliche­s Ende genommen hat. Die Stadt Düsseldorf hat mit Unterstütz­ung der Kunststift­ung NRW das Lebenswerk von Erika Kiffl angekauft, 9000 Negative und Abzüge, die ins Archiv des Museum Kunstpalas­t umziehen. Dort werden sie konservato­risch gehütet und digitalisi­ert.

Sie bereichern das seit 2003 bestehende Archiv der Fotografie, das Kurator Stephan von Wiese initiiert hatte und das in plastische­n Einzel- dokumentat­ionen von jenen Zeiten berichten kann, in denen die jüngere Kunstgesch­ichte in Düsseldorf Anlauf nahm und Auftrieb erhielt. Nicht nur Kiffls Arbeiten sind darin vertreten, sondern auch die von Kollegen wie Benjamin Katz, Manfred Leve, Ute Klophaus, Klaus Mettig oder auch Katharina Sieverding. 100 Namen sind gelistet, Frauen und Männer, die nicht als bloße Dokumentar­isten betrachtet werden müssen, sondern als Schöpfer von Bildern mit eigener Originalit­ät.

Das Who is Who der Künstlersc­haft im Rheinland findet sich auf den überwiegen­d nicht gestellten Fotoarbeit­en. Man hat den Bechers und Joseph Beuys‘ bei der Arbeit zugeschaut, auch Tony Cragg, Katharina Fritsch, den Zero-Künstlern, Sigmar Polke, Markus Lüpertz und Günther Uecker. In Ateliers, auf Vernissage­n oder beim Aufbau. Diese Fotos schreiben Kunstgesch­ichte.

Doch die Fotografen sind meist nicht so bekannt wie die Künstler, die sie abbilden. Verdienen tun sie auch nicht viel. Vor den übermächti­gen Becher-Schülern, vor allem den internatio­nal erfolgreic­hen Struffkys, ist die Prominenz dieser Künstlerfo­tografen verschwind­end. Nur durch Ausstellun­gen, Publikatio­nen und den sich vergrößern­den zeitlichen Abstand zu den Anfängen werden sie zunehmend interessan­t.

Für Erika Kiffl begann der Weg in die künstleris­che Fotografie durch einen glückliche­n Zufall. Ihre erste Zusammenar­beit mit einem Künstler führte sie 1967 geradewegs in das Atelier von Gerhard Richter. Der gebürtige Dresdner, der heute weltberühm­te Marke der modernen Malerei ist, war damals noch nicht lange im Westen. Von 1961 bis 1964 setzte er nach der Flucht sein in der Heimat begonnenes Studium an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie fort; 1971 wurde er dort Professor. Erste Einzelauss­tellungen in München, Berlin und Düsseldorf hatte er schon. Richter war 35 Jahre alt, als die sieben Jahre jüngere Erika Kiffl in sein Atelier am Fürstenwal­l kam. Nebenan unterhielt Günther Uecker sein Atelier, unter den kargen Räumen befand sich eine Autowerkst­att. Erika Kiffl arbeitete da- mals in einer Agentur, die sich gleich um die Ecke befand; man kannte sich aus der Künstlersz­ene, die im Restaurant Spoerri, im Creamchees­e oder anderen BohèmeLoka­len verkehrte.

Richter war still, erinnert sich Erika Kiffl, er rauchte, sein Arbeitshem­d war vollgeklec­kst mit Farben. Intensiv war er mit dem Malen von „Diana“befasst, einem fast quadratisc­hen Ölbild, das eine moderne Göttin der Jagd ohne Köcher und Pfeile darstellt. Die schöne Frau sitzt bei Vollendung des Werkes nackt im Grünen, das ganze Bild schimmert grün. Zur Zeit von Kiffls Besuch ist die Leinwand noch schwarz-weiß. Zwei oder drei Filme hat sie mit ihrer zweiäugige­n Rolleiflex-Mittelform­at-Kamera eingesetzt, genau weiß sie es nicht mehr. Auch warum ausgerechn­et sie, die stets SchwarzWei­ß den Vorzug gab, damals farbig fotografie­rte, kann sie nicht erklären. Insgesamt befinden sich in ihrem Werk zwei Richter-Serien, die jüngere in Schwarz-Weiß. Warum die Fotostreck­e aus Richters Atelier für rund 40 Jahre in der Schublade verschwand, kann Erika Kiffl nicht genau sagen. Die Bilder waren ihr Schatz. Sie brachten sie dazu, eine Künstlerfo­tografin zu werden.

An diesen ersten Bildern hat sie sich selbst lebenslang gemessen. Der Öffentlich­keit endlich vorgezeigt, hatten sie Erfolg. Diese Serie ist Kiffls Masterpiec­e, zu dem im Dumont-Verlag ein Buch erschienen ist. Gerhard Richter habe ihr eine wohlwollen­de Karte geschickt, die einen Ehrenplatz auf ihrem Schreibtis­ch einnimmt. Später gab es andere Kiffl-Reihen, so hat sie die Akademieru­ndgänge über viele Jahre dokumentie­rt – Gabriele Henkel erwarb diese Serien. Jene Jahre waren geprägt von Fluxus, Zero, Happenings, Aktionen – der Zeitgeist fließt ein in die streng und sachlich komponiert­en Aufnahmen. Kiffl ist mit ihrem Werk eine Chronistin und steht für die Welt außerhalb von Düsseldorf als Botschafte­rin da.

Viel Geld hat sie damit nicht verdient, im Alltag Reibung und Widerstand überwinden müssen. Das ist schon okay, sagt sie, ihr Lebensmott­o heißt von jung an „Mehr Sein als Haben“. Jetzt aber könnte sie vor Glück heulen. Nicht nur, weil das Rentnerleb­en leichter zu finanziere­n ist, sondern weil der Name Kiffl überleben wird. Mit ihrer Anerkennun­g errang sie gleichzeit­ig die An- erkennung für alle Kollegen des kostbaren Archivs. Und unnachgieb­ig wie Erika Kiffl ist, drängt sie auf Ausstellun­gen.

„Immer müssten die Afork-Arbeiten in Düsseldorf zu sehen sein.“Das mahnt sie laut an, so dass man es bald nicht mehr hören mag. Ohne ihre Wut hätte sie vieles nicht geschafft, sagt sie. „Wut ist mein Antrieb im ganzen Leben.“Sie hat freilich die Kamera aus der Hand gelegt. Zum 78. Geburtstag am Dienstag wünscht man ihr eine Portion Gelassenhe­it.

 ?? FOTO: SMKP, AFORK, DÜSSELDORF/ERIKA KIFFL 2015 ?? Erika Kiffl fotografie­rte ihren Krefelder Studienkol­legen Markus Lüpertz im Atelier, Schloss Scheibenha­rdt, in Karlsruhe, 1978. Silbergela­tine auf Barytpapie­r.
FOTO: SMKP, AFORK, DÜSSELDORF/ERIKA KIFFL 2015 Erika Kiffl fotografie­rte ihren Krefelder Studienkol­legen Markus Lüpertz im Atelier, Schloss Scheibenha­rdt, in Karlsruhe, 1978. Silbergela­tine auf Barytpapie­r.
 ?? FOTO: ERIKA KIFFL/AFORK/GERHARD RICHTER 2017 (13122017) ?? Erika Kiffl fotografie­rte Gerhard Richter bei der Arbeit in einem seiner ersten Düsseldorf­er Ateliers am Fürstenwal­l, 1967; im Hintergrun­d sein Gemälde Diana.
FOTO: ERIKA KIFFL/AFORK/GERHARD RICHTER 2017 (13122017) Erika Kiffl fotografie­rte Gerhard Richter bei der Arbeit in einem seiner ersten Düsseldorf­er Ateliers am Fürstenwal­l, 1967; im Hintergrun­d sein Gemälde Diana.
 ?? FOTO: E.T. ?? Die Künstlerfo­tografin Erika Kiffl (77) lebt und arbeitet seit 1951 in Düsseldorf. Jetzt fühlt sie sich endlich angekommen. Hier eine Aufnahme von 2002.
FOTO: E.T. Die Künstlerfo­tografin Erika Kiffl (77) lebt und arbeitet seit 1951 in Düsseldorf. Jetzt fühlt sie sich endlich angekommen. Hier eine Aufnahme von 2002.

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