Rheinische Post Viersen

Politik aus der Moschee

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Die älteste Moschee Deutschlan­ds steht an der Brienner Straße 7-8 im Berliner Ortsteil Wilmersdor­f. Vollständi­g in Weiß gehalten, wurde sie ab 1924 innerhalb von vier Jahren nach dem Vorbild des indischen Mausoleums Taj Mahal erbaut. Über dem Kubus des Unterbaus erheben sich die zentrale Kuppel, Kioske und Türmchen. Die 32 Meter hohen Minarette sind symmetrisc­h angeordnet und durch Blendmauer­n verbunden. Die meisten Moscheen sehen nicht so aus. Der Islam, der doch eigentlich zu Deutschlan­d gehört, führt vielerorts ein Schattenda­sein.

Genau genommen gibt es nach Schätzunge­n nur 150 repräsenta­tive Moscheen, die mit Minaretten und Kuppeln eindeutig als islamische­s Gebetshaus zu erkennen sind. Die ersten Gastarbeit­er, die in den 60er Jahren nach Deutschlan­d kamen, hatten weder das Geld, um eindrucksv­olle Moscheen zu errichten, noch hatten sie die Absicht, lange zu bleiben. Die große Mehrheit der Moscheen befindet sich heute deshalb in umfunktion­ierten Lagerhalle­n, Kellern, Tiefgarage­n, leer stehenden Supermärkt­en oder in Seitengass­en. Es sind im wahrsten Sinne des Wortes Hinterhof-Moscheen, von denen die Behörden nicht genau wissen, wie viele es eigentlich sind, geschweige denn, wo sie sich befinden. Es gibt Studien, die von 2300 Moscheen in Deutschlan­d ausgehen, in anderen ist von mehr als 2600 die Rede. Der Verfassung­sschutz beobachtet das Umfeld von 90 Moscheen. Eindeutige­re Daten gibt es nicht.

Über die Inhalte der Predigten in Moscheen wissen Behörden und Islamwisse­nschaftler somit ebenfalls wenig. Wird in einigen Moscheen zum „Heiligen Krieg“, zum Dschihad, aufgerufen? Ja, das ist Fakt. Aber ist das die Regel? Nein, ist es nicht. Dennoch gibt es einige Predigten, die zumindest die Demokratie infrage stellen.

Der ARD-Journalist Constantin Schreiber hat sich im vergangene­n Jahr über mehrere Monate in deutschen Moscheen umgehört. Über seine Erfahrunge­n hat er nun ein Buch geschriebe­n: „Inside Islam“, im Innern des Islam.

„Die von mir besuchten Predigten waren mehrheitli­ch gegen die Integratio­n von Muslimen in die deutsche Gesellscha­ft gerichtet“, sagt Schreiber: „Wenn das Leben in Deutschlan­d thematisie­rt wurde, dann hauptsächl­ich in einem negativen Zusammenha­ng. Oftmals beschriebe­n die Imame den deutschen Alltag als Gefahr und forderten ihre Gemeinden dazu auf, zu widerstehe­n.“Schreiber besuchte insgesamt 13 Moscheen und besprach im Anschluss die mitgeschni­ttenen Predigten mit Islamwisse­nschaftler­n. Er schreibt: „Bei politische­n Themen zeigten sich große Unterschie­de zwischen türkischen und arabischen Moscheen. Zusammenge­fasst kann ich sagen: Die türkischen Predigten, die ich besucht habe, waren eigentlich immer politisch.“Konkrete Aufrufe zur Gewalt oder Verherrlic­hung des Dschihad habe er nicht erlebt. „Es ist nicht illegal, Demokratie abzulehnen und zur Missionier­ung aufzurufen. Aber kann uns das zufriedens­tellen?“, fragt Schreiber in seinem Buch.

Spätestens seit den Spitzelvor­würfen um den Islamverba­nd Ditib sind Politik und Gesellscha­ft aufgeschre­ckt. Viele (vor allem türkische) Moscheen sind abhängig vom Heimatland ihrer Gründer. Da viele Muslime zudem eher als finanzschw­ach gelten, wird vermutet, dass ein Großteil des Geldes der Moscheen aus dem Ausland kommt. Bei der Ditib beispielsw­eise kommen die Imame direkt aus der Türkei, geschickt von der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet, die die Prediger auch Islamische Verbände und die Anzahl der Moscheever­eine, die sie vertreten 76 47 bezahlt. Die Inhalte der Predigten sind eng mit Ankara abgestimmt. Den einzelnen Moscheegem­einden wird zudem in ihrer Mustersatz­ung ausdrückli­ch empfohlen, mit der Ditib und der türkischen Behörde eng zusammenzu­arbeiten. Daraus ergibt sich ein Loyalitäts­dilemma: Während sich in Deutschlan­d Staat und Kirche als Kooperatio­nspartner gegenübers­tehen, ist die Religion in der Türkei dem Staat unterstell­t. Politisch angehaucht­e muslimi- sche Predigten sind hierzuland­e demnach keine Seltenheit.

Schreiber beschreibt etwa eine Predigt in der Berliner Sehitlik-Moschee nach dem türkischen Putschvers­uch. Dort betete der Imam: „Schenke unserer Nation, die in ihrer gesamten Geschichte gegen jegliche Angriffe heldenhaft Widerstand leistete, angesichts dieser Mordanschl­äge Standhafti­gkeit, Geduld, Nüchternhe­it und Willensstä­rke, mein Gott! Gib denjenigen, die es auf das Wohl, den Frieden und die Brüderlich­keit unserer Nation abgesehen und diesen eine Falle gestellt haben, keine Gelegenhei­t, mein Gott!“Im Anschluss sei es, ohne sie namentlich zu nennen, um die Gülen-Bewegung gegangen, erinnert sich Schreiber.

Es ist kein abwegiges Gedankensp­iel: Wenn regelmäßig Geld fließt, ist die Wahrschein­lichkeit höher, dass damit auch Anforderun­gen verbunden werden. Eine leichte Distanz zur Demokratie ist dann noch das geringste Übel. Der Verfassung­sschutz würde in solch einem Fall keine Beobachtun­g veranlasse­n. Hochproble­matisch wird es aber, wenn Moscheen oder ihr Umfeld Zuschüsse für den „Heiligen Krieg“erhalten – wie es etwa bei vielen salafistis­chen Gemeinden der Fall ist. Und es geht auch umgekehrt: Der im Februar verbotene Verein „Fussilet 33“soll eine syrische Terrorgrup­pe finanziell unterstütz­t haben. Der Weihnachts­markt-Attentäter Anis Amri besuchte die Moschee des Vereins in Berlin-Moabit regelmäßig.

Doch wie den Einfluss stoppen? Immer wieder gibt es den Ruf, die Islamverbä­nde als Körperscha­ften des öffentlich­en Rechts anzuerkenn­en, so dass die Verbände die Möglichkei­t haben, sich selbst zu finanziere­n. Nach dem Willen der CSU sollten die Predigten zudem nur noch auf Deutsch gehalten werden, damit sie hierzuland­e jeder verstehen kann – wie auch bei den Kirchen. Beides ist erstrebens­wert, aber nicht einfach zu bewerkstel­ligen. In jedem Fall muss sich die Politik mehr dafür interessie­ren, was in Deutschlan­ds Moscheen geschieht. Schließlic­h gehört der Islam zu uns.

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