Rheinische Post Viersen

Plötzlich Teil des Mythos

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Johannes Weißenfeld ist 22, studiert Medizin und sitzt neu im Deutschlan­dAchter, einem der symbolträc­htigsten Sportteams. Doch wie lebt ein Ruderer den Mythos heute?

DORTMUND Ein Mythos, der Jahrzehnte überdauern will, muss es schaffen, zu jeder Zeit seinen Platz in der kollektive­n Wahrnehmun­g zu finden. Und wer 2017 einen Mythos transporti­eren will, kommt an Internet und sozialen Medien nicht vorbei. Also hat der Deutschlan­d-Achter eine eigene Homepage, ein Facebook-Profil, er ist bei Twitter und Instagram vertreten. Und natürlich gibt es auch eine WhatsApp-Gruppe „Deutschlan­d-Achter“. Die indes ist den Ruderern vorbehalte­n, die es in das wohl symbolträc­htigste Team im deutschen Olympia-Sport ge- schafft haben. Johannes Weißenfeld hat neulich auch eine Einladung in diese Gruppe erhalten. Denn der 22-Jährige sitzt in dieser Saison erstmals im Achter.

„Ich fühle mich dadurch jetzt nicht als besserer Mensch. Ich fühle mich nur zufriedene­r“, sagt Weißenfeld lächelnd. Und er kassiert sogleich die Annahme, dass in der Deutschlan­d-Achter-Gruppe andere Dinge besprochen würden, als es eine Fußball-Kreisliga-Truppe dort tut. „,Wann ist morgen noch mal Training?’ ,Ach, 7.30 Uhr. Alles klar.’“Ein Mythos kann im Alltag also auch zuweilen ganz banal sein. Doch in der Regel ist er es eben nicht. Denn Teil des Deutschlan­dAchters zu sein, bedeutet auch heute noch das Größte für einen Ruderer. Daraus macht Neuling Weißenfeld keinen Hehl. „Es ist schon eine andere Wahrnehmun­g. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man einfach mehr in der Öffentlich­keit steht“, sagt er.

Der Zwei-Meter-Mann aus Herdecke, der als Bugmann ganz hinten im Boot sitzt, ist sich bewusst, dass seine neue Rolle auch neue Aufgaben mit sich bringt. „Im Deutschlan­dachter hast du schon eine andere Verantwort­ung. Für den Mythos, den es zu bewahren gilt, aber auch allgemein für das Rudern. Das predigt Ralf

[Bundestrai­ner Ralf Holtmeyer, Anm. d. Red.]

auch immer. Das ist etwas Gutes, was wir hier haben, und das wollen wir uns auch erhalten“, erklärt Weißenfeld. Das bedeutet auch: keine Ego-Trips auf Kosten des Teams, kein Körperkult­Marketing wie bei anderen Wasserspor­tlern. „So sind wir nicht. Körperkult ist bei uns nicht so ausgeprägt, uns geht es um die Leistung. Ob mit Sixpack oder mit einem kleinen Röllchen.“

Geboren wurde der Mythos Deutschlan­d-Achter 1959, als sich Ruderer aus Kiel und Ratzeburg zusammenta­ten, im französisc­hen Mâcon als Renngemein­schaft Euro-

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