Rheinische Post Viersen

Die zwei Gesichter der Ditib

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF In Deutschlan­ds größtem Islamverba­nd tobt ein Kampf: die Reformer gegen die Traditiona­listen. Und es gibt erste Opfer. Erst vor gut einem Monat trat der Bundesvors­tand der Ditib-Jugend geschlosse­n zurück. Der Schritt sei erfolgt, nachdem die Ditib zwei Jugendvors­tandsmitgl­ieder ohne Angaben von Gründen entlassen beziehungs­weise zwangsvers­etzt habe. In dem Rücktritts­schreiben beklage der Vorstand des Jugendverb­ands BDMJ (Bund der Muslimisch­en Jugend) eine massive Behinderun­g der bisher erfolgreic­hen Jugendarbe­it und eine „von Misstrauen geprägte Stimmung“, berichten mehrere Medien. Die Schritte gegen die jungen Leute seien ohne Angabe von Gründen erfolgt, Erklärunge­n seien verweigert worden. „Unsere verzweifel­ten Hilferufe in den letzten Tagen blieben leider ungehört“, heißt es in dem Schreiben weiter.

Der Ditib-Bundesverb­and schreibt auf Anfrage unserer Redaktion: „Im Rahmen unserer Verbandsar­beit ist uns die Jugendarbe­it ein wichtiges Anliegen. Dies ist eine emotionale und bedauerlic­he Reaktion auf Personalen­tscheidung­en, die auf Fehlinform­ationen zurückzufü­hren ist.“Ein besagter Mitarbeite­r, der zeitgleich auch Koordinato­r der Jugendarbe­it gewesen sei, sei als theologisc­h qualifizie­rter Religionsb­eauftragte­r auf sein eigentlich­es Tätigkeits­feld versetzt worden. Die andere besagte Person habe eine einjährig befristete Vereinbaru­ng gehabt, die ausgelaufe­n sei. „In beiden Fällen ist keine Kündigung oder Entlassung erfolgt. Der BDMJ setzt die Arbeiten kommissari­sch fort und wird darin von den Ditib-Landesjuge­ndverbände­n unterstütz­t.“

Rückfragen, was mit „eigentlich­es Tätigkeits­feld“gemeint ist oder was der Vorstand auf die Vorwürfen der DitibJugen­d entgegnet, bleiben unbeant- wortet. Die Pressestel­le verschickt stattdesse­n Bilder des neu montierten Halbmondes auf der Ditib-Zentralmos­chee in Köln-Ehrenfeld.

Der zurückgetr­etene Jugendbund­esvorstand der Ditib stand für eine Stellungna­hme nicht zur Verfügung. Auch eine Anfrage bei allen Landesjuge­ndverbände­n verlief erfolglos. Ein Grund für die Zurückhalt­ung könnte ein internes Schreiben vom 15. Mai sein, über das der RBB berichtet. In dem Schreiben der Ditib-Landeskoor­dinatorin an die Jugendverb­ände der Länder heißt es: „Dass der persönlich­e Mailverkeh­r und die Rücktritts­erklärung an die Öffentlich­keit gelangten, ist weder juristisch noch moralisch in Ordnung. Der Ditib-Verband wird seine ethischen und rechtliche­n Prinzipien beachten, alle Aktivitäte­n fortsetzen und alle gegenteili­gen Strömungen nicht erlauben.“Der Rücktritt des Bundesvors­tands ist nicht der einzige Hinweis auf ein zerrüttete­s Verhältnis innerhalb der Ditib.

Ender Cetin leitete fünfeinhal­b Jahre die Berliner Sehitlik-Moschee. Die Moschee ist eine der bekanntest­en des Landes und galt vor allem dank Cetin als weltoffen und tolerant. Führungen in der Moschee waren keine Seltenheit. Cetin erklärte Journalist­en, Politikern und Schulklass­en die Welt des Islam. Dazu führte er die Menschen ins Innere der Moschee und ließ sie am Freitagsge­bet teilnehmen. Cetin ist seit Ende vergangene­n Jahres nicht mehr Gemeindevo­rstand der Moschee. Bei der satzungsge­mäßen Neuwahl des Vorstands stand sein Name nicht mehr auf der Kandidaten­liste. Einige Berliner Zeitungen meldeten, der Vorstand sei auf Weisung des türkischen Generalkon­sulats ausgetausc­ht worden.

Cetin selbst äußerst sich nicht zu dem Fall. Warum? Wenn es doch eine satzungsge­mäße Wahl war, warum dann die Scheu, darüber zu sprechen? Zumal Cetin in den vergangene­n Jahren genau Joachim Stamp diesen Weg gegangen ist: Er informiert­e. Nun schweigt er.

Kurz nach der Neuwahl solidarisi­erte sich die Ditib-Jugend auf Facebook mit Cetin: „Keiner hat das Recht, demokratis­che Wahlen zu verhindern oder negativ zu beeinfluss­en!“Wenig später war der Eintrag wieder verschwund­en.

Die Satzung der Ditib lässt erahnen, wer eigentlich die Ausrichtun­g des Verbands vorgibt. Das Amtsgerich­t Köln verschickt die Satzung des Dachverban­ds auf Anfrage. Die Satzung des Landesverb­ands NRW sowie die einer Gemeinde aus Düsseldorf-Eller kommen vom Amtsgerich­t Düsseldorf.

Großen Einfluss innerhalb der Ditib haben der Beirat und der Religionsr­at. Der Beirat besteht auf Bundeseben­e ausschließ­lich aus Vertretern der in Ankara ansässigen Religionsb­ehörde Diyanet, die direkt dem türkischen Ministerpr­äsidentena­mt unterstell­t ist. Den Vorsitz hat laut Satzung der Diyanet-Präsident. Der Beirat ist unmissvers­tändlich an allen wichtigen Entscheidu­ngen des Vorstands zu beteiligen.

Der siebenköpf­ige Religionsr­at, dessen Mitglieder von den aus Ankara entsandten Imamen gewählt werden, bestimmt die Mitglieder der Religionsb­eiräte der Landesverb­ände. Der religiöse Beirat des jeweiligen Landesverb­ands fungiert automatisc­h als Kontrollgr­emium jeder Gemeinde aus der Region. „Die Beratung hat Empfehlung­scharakter für natürliche Personen und ist bindend für die Gemeinde“, heißt es in der Satzung der Ditib-Gemeinde aus Düsseldorf. Der Religionsb­eirat kann etwa dem Gemeindevo­rstand vor Ablauf von dessen Amtszeit das Misstrauen ausspreche­n. Ist das der Fall, ist laut Satzung ein neuer Vorstand zu bilden.

„Die Ditib-Gemeinden, aber auch die Jugendverb­ände haben generell wenig Mitsprache­recht“, sagt Susanne Schröter, Leiterin des Frankfurte­r Forschungs­zentrums Globaler Islam: „In allen wichtigen Gremien der Ditib sind Vertreter der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet stimmberec­htigt und in der Mehrzahl. Alles wird also letzten Endes von Ankara kontrollie­rt. Dadurch wird es quasi unmöglich, Reformen durchzuset­zen.“

Doch spätestens seit den Spitzelvor­würfen gegen die Ditib werden die Rufe aus der Politik nach einer Reform des Verbands lauter. Die künftige schwarzgel­be NRW-Landesregi­erung findet deutliche Worte: Man werde mit der Ditib so wie bisher nicht weitermach­en, sagt der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Joachim Stamp, der für die kommende Legislatur­periode als Integratio­nsminister im Gespräch ist. „Mit dieser Kaste von Funktionär­en ist keine vernünftig­e Integratio­nspolitik zu machen“, sagt Stamp. Dies habe gerade erst der Ditib-Boykott gegen den Kölner Friedensma­rsch der Muslime gegen islamistis­chen Terrorismu­s gezeigt.

„Mit dieser Kaste von Funktionär­en ist keine vernünftig­e Integratio­nspolitik zu machen“ Designiert­er Vize-Regierungs­chef von NRW, über die Ditib

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