Scharfe Töne aus Riad
Mohammed bin Salman ist der neue Kronprinz Saudi-Arabiens – und voller Widersprüche: innenpolitisch ein jungdynamischer Erneuerer, international ein Hitzkopf.
RIAD Wenn moderne Zeiten, soziale Medien und multinationale Unternehmen auf die mittelalterliche saudische Regierungsform treffen, dann treibt das mitunter bizarre Blüten. Besonders unterhaltsam sind die Zeitungsanzeigen, in denen beispielsweise McDonald’s dem neuen Kronprinzen huldigt und ihm unbedingten Gehorsam verspricht. Auch auf Twitter wird Mohammed bin Salman gern als „MBS“verkürzt, und der „Huldigungs“-Hashtag führt in der Wüstenmonarchie derzeit die Trends in den sozialen Medien an.
Wer aber ist der 31-jährige MBS, den der saudische König Salman nun anstelle des Prinzen Mohammed bin Najef als seinen Nachfolger bestimmt hat? Rein familiär ist das Amt des Kronprinzen vom Neffen des Königs auf dessen Sohn gewechselt. MBS, der neue Kronprinz, ist kein Unbekannter im Königreich. Als Verteidigungsminister und VizeKronprinz hatte er schon zuvor erheblichen Einfluss auf die saudische Politik. Er galt schon länger als so etwas wie die saudische graue Eminenz, weil der 31-jährige zunehmend die Regierungsgeschäfte seines 81-jährigen Vaters übernommen hatte. Ein Zustand, der jetzt mit seiner Ernennung zum Kronprinzen formalisiert wurde.
Sein bisheriges politisches Erscheinungsbild ist widersprüchlich. Während er innenpolitisch als Reformer auftritt und besonders bei der saudischen Jugend beliebt ist, gilt er regional als einer der großen Scharfmacher.
Im Land hat er vor allem durch seine Agenda 2030 von sich reden gemacht, einem Reformprogramm, mit dem er Saudi-Arabien vom Öl unabhängiger machen, wirtschaftlich öffnen und gesellschaftlich mo- dernisieren will. Der Jugend gefällt vor allem, dass er erstmals Konzerte zugelassen hat, die Rede ist auch davon, dass demnächst Kinos aufmachen werden. Die Frauen des Landes hoffen, dass MBS demnächst das Frauenfahrverbot zu Fall bringt. Die Wirtschaft will er effektiver machen, mehr privatisieren. Wobei sein Plan, erstmals auch Teile der übermächtigen staatlichen Ölfirma Aramco zu privatisieren, auch auf Kritik gestoßen ist.
Doch während er sich innenpolitisch als jungdynamischer Erneuerer gibt, tritt er intentional gegenüber den saudischen Nachbarn eher als ein unberechenbarer Hitzkopf auf, der davon träumt, Saudi-Arabien von einer potenten finanziellen Regionalmacht zu einer großen Militärmacht auszubauen, um saudische Interessen durchzusetzen. Sein Debüt feierte er dabei als Verteidigungsminister, indem er einen Krieg im benachbarten Jemen begann. MBS gilt als der Architekt des nun seit zwei Jahren andauernden Krieges, der sich mit seinen mehr als 10.000 Toten, darunter viele Zivilisten, und einem Cholera-Ausbruch immer mehr als humanitäre Katastrophe erweist. Militärisch gesehen ist das mit modernsten Waffen ausgerüstete Saudi-Arabien im jemenitischen Treibsand steckengeblieben.
Auch bei der Eskalation mit dem Golfemirat Katar ist MBS federführend. Der Versuch, Katar politisch und diplomatisch zu isolieren und sogar die saudisch-katarische Grenze zu schließen – den einzigen Landzugang Katars zur Arabischen Halbinsel –, wird ebenfalls der harten Hand des neuen Kronprinzen zugeschrieben. Zusammen mit dem jungen Kronprinzen Muhammad bin Zayed aus Abu Dhabi führt MBS einen diplomatischen und politischen Feldzug gegen Katar, dessen Ausgang ebenfalls ungewiss ist. Dabei sind vor allem die Beziehungen Katars zum Iran den jungen Prinzen am Golf ein Dorn im Auge.
Denn vom Kampf um die Vorherrschaft in der Region und der Rivalität mit dem schiitischen Iran scheint MBS geradezu besessen zu sein. Jüngst erklärte er in einem Interview, er wolle nicht warten, bis der Iran die Schlacht ins sunnitische Saudi-Arabien trägt. Er werde daran arbeiten, dass sie im Iran stattfindet. Rückendeckung bekommt der saudische Kronprinz dabei anscheinend von US-Präsident Donald Trump. Mit dessen Schwiegersohn Jared Kushner unterhält er eine engere Beziehung.
MBS ist beauftragt, das zwar reiche, aber veraltete saudisch-monarchische System mit einem Generationswechsel in moderne Zeiten hinüberzuretten – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er damit einer internationalen Eskalation Vorschub leistet. Der neue junge saudische Sturm und Drang, gepaart mit der Unberechenbarkeit aus Washington, angewandt auf die explosive Mischung der Nahost-Region – das alles verspricht keine ruhigen Zeiten.