Rheinische Post Viersen

Rettung der „Aquarius“wird zum internatio­nalen Problem

Während Rom und Paris um den Umgang mit Flüchtling­en auf dem Mittelmeer streiten, steht ein weiteres Schiff vor dem gleichen Schicksal.

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ROM (dpa) Der Streit zwischen Italien und Frankreich um das Flüchtling­s-Rettungssc­hiff „Aquarius“droht zu eskalieren. Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini forderte von der französisc­hen Regierung eine Entschuldi­gung für eine abwertende Bemerkung über Italiens harten Kurs. Andernfall­s würde ein für morgen geplantes Treffen zwischen Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron platzen.

Der französisc­he Botschafte­r in Rom wurde ins Außenminis­terium einbestell­t. Unterdesse­n zeichnete sich ab, dass erneut auf dem Mittel- meer gerettete Migranten nicht an Land gehen dürfen. Italien hatte dem Schiff „Aquarius“von der Hilfsorgan­isation SOS Méditérran­ée mit Hunderten erschöpfte­n Migranten an Bord am Sonntag die Einfahrt in einen Hafen des Landes verwehrt. Das Schiff ist nach zwei Tagen Blockade nun in Begleitung zweier italienisc­her Schiffe unterwegs nach Spanien, wo es voraussich­tlich am Samstag ankommt.

In Italien hatten vor allem Aussagen des französisc­hen Regierungs­sprechers für Unmut gesorgt. Er hatte in dem Fall vom „Beweis einer Form von Zynismus und einer ge- wissen Verantwort­ungslosigk­eit der italienisc­hen Regierung“gesprochen. Italiens Finanzmini­ster Giovanni Tria sagte am Mittwoch kurzum ein Treffen mit seinem französisc­hen Amtskolleg­en ab.

„Unsere Geschichte der Solidaritä­t verdient nicht, von Mitglieder­n der französisc­hen Regierung herunterge­macht zu werden, und ich hoffe, dass die französisc­he Regierung so schnell wie möglich eine offizielle Entschuldi­gung vorlegt“, sagte Salvini im Senat in Rom. Macron solle selbst sein Verspreche­n einhalten, 9000 Migranten von Italien zu übernehmen. Danach schlug Paris versöhnlic­here Töne an: „Wir sind uns vollkommen der Belastung bewusst, die der Migrations­druck für Italien bedeutet“, sagte die Sprecherin des Außenminis­teriums. Dass die Pariser Regierung nicht angeboten hatte, die „Aquarius“in einem französisc­hen Hafen anlegen zu lassen, hat auch in Frankreich für Diskussion­en gesorgt. Eine Abgeordnet­e der Partei von Präsident Macron sprach von „Vogel-Strauß-Politik“.

Frankreich und Italien streiten sich seit Langem über das Thema Migration. Rom wirft Paris vor, zahlreiche Migranten an der Grenze der beiden Länder zurückzuwe­isen. Wegen eines Einsatzes französisc­her Zollbeamte bei einer Hilfsorgan­isation für Migranten in einem Bahnhof in Italien wurde der Botschafte­r schon einmal einbestell­t.

Die „Aquarius“fuhr derweil mit 106 Migranten an Bord im Schneckent­empo weiter in Richtung Spanien. Die restlichen der insgesamt 629 Flüchtling­e werden mit zwei Schiffen der italienisc­hen Küstenwach­e und Marine nach Valencia gebracht. Die Seenotrett­er rechnen mit vier Meter hohen Wellen, sobald das Schiff die Straße von Sizilien verlässt – dies ist die Meerenge zwischen Sizilien und Tunesien.

Am Mittwoch befanden sich erneut Dutzende Migranten auf hoher See in der Schwebe: Auf einem Schiff der US-Marine seien 41 Überlebend­e eines Flüchtling­sunglücks und zwölf Tote, sagte ein Sprecher der deutschen Hilfsorgan­isation Sea-Watch. Die US Navy habe SeaWatch am Dienstag zur Übernahme der Geretteten und der Leichen vor der Küste Libyens gerufen. Aus Sorge, dass ihnen das gleiche Schicksal wie der „Aquarius“drohe und sie nicht nach Italien einfahren dürften, würden sie die Überlebend­en aber nicht an Bord nehmen und böten nur medizinisc­he Hilfe an.

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