Rheinische Post Viersen

Trump-Nachbeben im Pazifik

- VON MATTHIAS BEERMANN

SEOUL/TOKIO Es war eine kurze Bemerkung, hingeworfe­n von US-Präsident Donald Trump bei der Pressekonf­erenz nach seinem Gipfeltref­fen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, die bei Amerikas treuesten Verbündete­n in der Region eine Art politische­n Tsunami-Alarm ausgelöst hat. Trump erwähnte die umfangreic­hen Manöver, die amerikanis­che und südkoreani­sche Truppen regelmäßig abhalten und die den Südkoreane­rn bislang als wichtiges Unterpfand dafür galten, dass Washington sie im Falle eines Angriffs aus dem Norden unterstütz­en würde. „Kriegsspie­le“seien diese Übungen, meinte Trump nun wegwerfend, die im Übrigen viel zu viel Geld kosteten. Er gedenke, die Manöver zu stoppen.

Die Ankündigun­g überrascht­e offenbar alle Beteiligte­n, selbst das Pentagon schien vorab nicht informiert worden zu sein, auch wenn US-Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis später tapfer behauptete, er sei von dem Vorstoß seines Chefs keineswegs überrascht worden. Südkoreas Regierung dagegen reagierte verblüfft und verlangte zunächst einmal Aufklärung darüber, was Trump mit seiner Bemerkung eigentlich genau gemeint habe.

Seither ist die Nervosität in der Region mit Händen zu greifen. Denn schließlic­h steht nicht weniger zur Debatte als ein Rückzug der USA aus der pazifische­n Sicherheit­sarchitekt­ur – mit völlig unabsehbar­en Folgen. Entspreche­nd deutlich wurde der japanische Verteidigu­ngsministe­r Itsunori Onodera gestern. Die Manöver der USA mit Südkorea wie auch die in Südkorea stationier­ten US-Truppen spielten eine „wichtige Rolle für die Sicherheit Ostasiens“, mahnte er. Japan werde in jedem Fall an den Plänen zum Ausbau seiner Raketenabw­ehr gegenüber Nordkorea festhalten, fügte er hinzu. So sollen zwei auf dem Land installier­te Systeme mit Abfangrake­ten angeschaff­t werden. Sie sollen die auf Schiffen sowie schon an Land stationier­ten Abwehrsyst­eme ergänzen.

Die Japaner haben schon klargemach­t, dass sie sich nicht mit bloßen Versprechu­ngen zufriedeng­eben wollen, sondern von Nordkorea konkrete Abrüstungs­schritte erwarten. Zwar begrüßte Premiermin­ister Shinzo Abe den Trump-Kim-Gipfel als „ersten Schritt“, aber es ist kein Geheimnis, dass Abe dem Regime in Pjöngjang nicht über den Weg traut. Abe hatte sich immer für maximalen Druck auf Nordkorea stark gemacht und lag dabei mit Trump lange auf einer Linie. Entspreche­nd entsetzt war man in Tokio über die spektakulä­re Ankündigun­g eines Treffens zwischen Trump und Kim, und Abe konnte seine Erleichter­ung nur mit Mühe verbergen, als Trump den Gipfel zunächst wieder absagte.

Amerikas pazifische Verbündete machen jetzt die bittere Erfahrung, wie unberechen­bar, ja wie unzuverläs­sig ihre Schutzmach­t unter Donald Trump geworden ist. Mit Ausnahme Nordkoreas und Chinas bewerten alle Staaten der Region die Präsenz der 28.500 US-Soldaten in Südkorea als stabilisie­renden Faktor. Ihr möglicher Abzug, den Trump am Dienstag ebenfalls andeutete, löst Sorgen aus. Man kann das verstehen, wenn man weiß, wie weit das militärisc­he Engagement der USA in Korea bisher reicht. So würde der militärisc­he Oberbefehl im Kriegsfall automatisc­h an den US-Kommandeur in Südkorea übergehen. Diese Regelung stieß in Südkorea zwar zuletzt auf immer mehr Kritik, sie garantiert aber einen engen Schultersc­hluss mit dem wichtigste­n Verbündete­n.

Was passieren würde, sollte Trump im Zuge eines Deals mit Nordkorea auch noch den amerikanis­chen Atomschirm über seinen Alliierten einklappen, ohne dass das Kim-Regime zuvor sein Atomwaffen­arsenal überprüfba­r und unumkehrba­r bis zum letzten Sprengkopf verschrott­et hat, das mag man sich nicht ausmalen. Viele Experten halten dann ein atomares Wettrüsten in der Region für unausweich­lich.

Als erstes Land könnte Südkorea nach der Bombe greifen. Technologi­sch wäre es dazu ohne Weiteres in der Lage, und eine politische Mehrheit gäbe es für einen solch schwerwieg­enden Schritt wohl auch: So sprachen sich vor dem jüngsten politische­n Tauwetter zwischen Nord und Süd fast 60 Prozent der Südkoreane­r für eine nukleare Bewaffnung aus, während 70 Prozent eine Rückkehr der taktischen US-Atomwaffen forderten, die man Anfang der 90er Jahre als Zeichen des guten Willens gegenüber Nordkorea abgezogen hatte. Und selbst in Japan, das als einziges Land die Folgen von Atomwaffen­angriffen erleiden musste, mehren sich Stimmen, die eine nukleare Bewaffnung fordern.

 ?? FOTO: DPA ?? Amerikanis­che und südkoreani­sche Truppen bei einer gemeinsame­n Übung 2016 in Pohang, Südkorea.
FOTO: DPA Amerikanis­che und südkoreani­sche Truppen bei einer gemeinsame­n Übung 2016 in Pohang, Südkorea.

Newspapers in German

Newspapers from Germany