Rheinische Post

Kerniger Polizisten­film „End of Watch“

- VON THOMAS KLINGENMAI­ER

Die Streifenpo­lizisten Brian und Mike sind ein Team auf Leben und Tod. Wenn der eine nicht aufpasst, könnte der andere die Schicht nicht überleben. So erzählen es viele Copfilme, aber „End of Watch“von David Ayer sticht durch die Qualität der Dialoge und Darstellun­g hervor. Die von Jake Gyllenhaal und Michael Peña gespielten Cops sind wilde Typen, aber auch gute Kerle. Hier wird nicht die Korruption in der Polizei von LA gezeigt. Hier werden die Figuren als jene Macht gezeichnet, die auch in den Ghettos die Schwachen zu schützen versucht. Das ist Ayers Gegenentwu­rf zu einem früheren Werk: Er hat das Drehbuch zu „Training Day“geschriebe­n. Geschichte­n mit Leichtigke­it zu erzählen. Und dann sitzt man im Kino und hört irgendwann auf zu fragen, ob es denn realistisc­h ist, dass sich ein Junge mit schweren Ticks und ein Mädchen mit schweren Essstörung­en gegenseiti­g beim Leben helfen. Dieser Fitz spielt so überzeugt von der Geschichte und mit so viel natürliche­m Charme, dass man mal einen Abend an ein gnädiges Schicksal glaubt und an die Möglichkei­t von Happy Endings.

„Vincent will Meer“jedenfalls wurde der Überraschu­ngshit des Jahres 2010, erreichte mehr als eine Millionen Besucher. Fitz spielte danach einige größere Rollen, etwa in „Die Vermessung der Welt“, und legt nun wieder einen eigenen Film vor: „Jesus liebt mich“. Diesmal hat er gleich alle Schlüsselp­ositionen besetzt, das Drehbuch geschriebe­n nach dem Roman von David Safier, Regie geführt und die Hauptrolle gespielt – Jesus.

Es ist also wieder so eine Geschichte, die leicht ins peinlich Groteske abdriften könnte. Denn Fitz holt Jesus tatsächlic­h ins Heute. Ausgerechn­et in der westdeutsc­hen Provinz will er die Menschen kennen lernen, sehen, ob sie die Apokalypse verdienen, die kurz bevor steht. Fitz spielt Jesus als sanften Aus-der-Zeit-Gefallenen mit langem Haar und beständig mildem Lächeln. Bettler bittet er in die Pizzeria und wäscht ihnen die Füße, der verrückten Alten in der Fußgängerz­one, die mit Pappschild vom Weltunterg­ang kündet, drückt er unerschroc­ken einen Kuss auf die ungewasche­ne Stirn.

Das wirkt allein deswegen nicht komplett spinnert, weil Fitz diesen Jesus nicht nur milde spielt, sondern durchaus selbstbewu­sst und unerschroc­ken. Er stellt noch im- mer die richtigen Fragen. Obwohl der Film die christlich­e Lehre nur als Lieferant für Versatzstü­cke benutzt, Jesus etwa über einen See spazieren oder beim Abendessen Wein in Wasser verwandeln lässt, hat es doch einen gewissen Reiz, die christlich­e Botschaft auf die Gegenwart treffen zu sehen. Nächstenli­ebe wirkt jedenfalls in der Pizzeria von heute so radikal wie unter Zachäus’ Baum in Jericho vor 2000 Jahren.

Die Geschichte kalauert also ein wenig und verliert gegen Ende auch die erzähleris­che Knappheit und damit das Tempo. Doch nie kippt der Film ins Peinliche, ins blöd Absurde. Vielmehr erzählt Fitz mit Wärme und Ironie und beweist in seinem Regiedebüt, dass er auch mit Schauspiel­ern umgehen kann.

Freilich hat er da einige aus der ersten Riege zur Verfügung. Henry Hübchen zum Beispiel spielt den gefallenen Erzengel Gabriel, der auf Erden ein schnöder Landpfarre­r ist, der zu viel Schnaps trinkt. Das hat mit Hannelore Elsner zu tun, die auch als Alt-Hippie noch indische wird gespielt von Jessica Schwarz, mit erstaunlic­hen komödianti­schen Qualitäten überrascht. Ihr Spiel ist frisch, ungezwunge­n, herzhaft. Dazu plaudert sie munter aus dem Off und erdet mit ihren Kommentare­n die immer verrückter­e Geschichte.

Maria kommt aus einer wunderbar zerrüttete­n Familie. Ihre Mutter ist im Laufe ihrer Jugend nicht nur in irgendein Ashram entschwund­en und verdreht jetzt dem Dorfpfarre­r den Kopf, ihr Vater tröstet sich mit einer jungen Russin, die für jede Situation das rechte Sprichwort aus ihrer Heimat parat hat. In diesen Szene beweist Fitz, dass er die Kunst beherrscht mit Klischees zu spielen, sie aber immer so weit zu überdrehen, dass sie nicht zu abgegriffe­n wirken. Man kennt dieses Personal, aber man sieht es selten mit so viel Spiellust beisammen.

Und wenn am Ende Michael Gwisdek als Gott in Erscheinun­g tritt, die verwirrte Maria zwischen all seinen Marionette­ntheatern kurz empfängt und dann an der dicken Strippe zieht, um sie auf Erden wieder nach eigenem Willen handeln zu lassen, dann ist genug geschmunze­lt, Weihnachte­n kann kommen.

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