Vielleicht mag ich dich morgen
Der Typ sieht aus wie eine notgeile Kichererbse. Liebe muss echt blind machen.“Anna kicherte. Sie war ziemlich beschwipst, dachte James. Es passierte immer bei Festlichkeiten, die im Anschluss an die Arbeit stattfanden. Champagner, kaum was im Magen, und um neun war man sternhagelvoll. Damals, in grauer Vorzeit, war er einige Male neben Kolleginnen aufgewacht, von denen er besser die Finger gelassen hätte, und immer war der Schampus schuld daran. Das Zeug schien den Augäpfeln die Feuchtigkeit zu entziehen. Und dem Körper die Schutzreflexe.
„Neeeein. Er ist wirklich eine Wucht. Ein Fachmann auf seinem Gebiet.“
„Schon. Aber er hat Slipper aus Zebrafell an. Macht macht zwar sexy, ist aber kein K.o.-Tropfen.“
„Ich könnte ihn stundenlang reden hören.“
„Er sich vermutlich auch. Also habt ihr schon mal etwas gemeinsam.“
Sie fingen gleichzeitig zu lachen an. Und James erkannte, dass es etwas ziemlich Intimes war, mit einer Vertreterin des anderen Geschlechts verschwörerisch zu lachen. Man konnte Blickkontakt halten und zusammen ausgelassen sein, weil man ein Geheimnis miteinander teilte. Als er wieder hinschaute, schleuderte TV-Tim noch immer anzügliche Blicke in ihre Richtung.
„Er hat eindeutig Interesse. Möchtest du ihn dir angeln?“, fragte er Anna. „Wie soll ich das anfangen?“„Folgendermaßen: Ich flüstere dir gleich etwas ins linke Ohr. Beug dich zu mir rüber, während ich rede, und lächle, als wüsstest du, dass ich dich anmachen will. Du genießt es zwar, springst aber nicht ganz darauf an. Und dann kicherst du ein bisschen mädchenhaft, als hätte ich gerade etwas Unanständiges gesagt. Verstanden?“„Ist das dein Ernst?“„Ja. Wenn du das richtig hinkriegst, steht er in ein paar Minuten hier auf der Matte und stellt sich vor.“„Warum?“„Weil er, wenn er glaubt, dass ich dich ernsthaft anbaggern will, Tempo zulegen wird, dich selbst anzubaggern.“
„Und wenn er einfach nur annimmt, dass wir zusammen sind?“
„Männer verhalten sich nicht so gegenüber einer Frau, mit der sie schon etwas haben. Paare lassen sich von Männern in der Gesellschaft möglicher Eroberungen ganz einfach anhand der Körpersprache unterscheiden. Schau, immerhin bin ich mit Laurence befreundet, und der hat auf diesem Gebiet eine Menge Feldforschung betrieben. Bist du bereit?“– „Ja“, erwiderte Anna und versuchte, den Anflug ei- nes Lächelns auf ihr Gesicht zu zaubern. – James beugte sich zu ihr hin. Der Geruch ihres Parfüms, blumig und ein wenig salzig vom Kontakt mit ihrer Haut, stieg ihm in die Nase. Er strich ihr das Haar vom Ohr weg. Das gehörte zwar nicht zum Plan, steigerte jedoch die Wirkung.
„Da ist etwas, das ich dir schon den ganzen Abend sagen wollte“, raunte er. „Luther hat Verstopfung. Ich habe ihm zwar Tabletten besorgt, aber Eva ist ausgeflippt und besteht auf natürliche Heilmethoden. Also sollte ich ihm Kürbis aus der Dose unters Futter mischen. Ich habe welchen gekauft. Doch er hat die Nahrung verweigert. Wie sich herausstellte, hatte ich versehentlich Pastetenfüllung erwischt. Also habe ich einen richtigen Kürbis gekauft und ihn gekocht und zerstampft. Luther hat alles runtergeschlungen und ward nicht mehr gesehen.
(Fortsetzung folgt)