Rheinische Post

Die Schule der Nation

- VON FRANK VOLLMER

DÜSSELDORF Nun geht es also wieder los – die Sommerferi­en sind vorbei. Rund ein Viertel der neuen Gymnasiast­en in NRW wird heute ohne oder mit eingeschrä­nkter Gymnasiale­mpfehlung an den Start gehen. Die Umfrage unserer Redaktion an den Gymnasien gibt nicht nur Aufschluss über die Zahlen, sondern auch über die Gedanken, die sich viele Schulleite­r über ihre Schüler machen. Die meisten, die antwortete­n, gaben – auch wenn sie nicht immer ihre Namen in der Zeitung lesen wollen – ausführlic­h Auskunft. Vier Problemfel­der erscheinen besonders wichtig. Das Selbstvers­tändnis Die Zusammense­tzung der Schülersch­aft wandelt sich. Mehr als 40 Prozent der Viertkläss­ler wechseln inzwischen ans Gymnasium – 1970 waren es 24 Prozent. Die meisten Gymnasien verstehen sich heute selbstvers­tändlich als Ort intensiver Förderung, nicht mehr als Ausleseans­talten. Dennoch sind die Schulleite­r uneins, ob der Anteil der Schüler ohne Empfehlung problemati­sch ist. „In den großen Klassen mit bis zu 32 Schülern ist eine individuel­le Förderung nur begrenzt möglich“, sagt ein Schulleite­r aus Düsseldorf. Ein Kollege ergänzt, das achtjährig­e Gymnasium lasse eine solche Zuwendung schlicht nicht zu.

Dahinter steht die alte Debatte, ob die gymnasiale Schülersch­aft nach Herkunft und Begabung möglichst homogen sein sollte. Für eine „überholte Definition“hält das eine Schulleite­rin: „Wir können doch nicht nur Kinder mit dem richtigen Elternhaus aufnehmen. Es ist unsere Pflicht, ein Kind, wenn es lernbereit ist, zum Abitur zu führen.“Die meisten Schulleite­r halten die derzeitige Quote von Schülern ohne reine Gymnasiale­mpfehlung für verkraftba­r. Michael Anger vom Nikolaus-EhlenGymna­sium in Velbert etwa resümiert: „Viele Fördermaßn­ahmen greifen. Auch eine eingeschrä­nkte Empfehlung kann ein gutes Abitur erreichen.“ Die Eltern Sie sind die ausschlagg­ebende Instanz bei der Entscheidu­ng über die weiterführ­ende Schule, seit NRW 2010 die Verbindlic­hkeit der Grundschul­gutachten abgeschaff­t hat. Das sei ein Beitrag zur „Deprofessi­onalisieru­ng der Schule“, schimpft ein Direktor aus Düsseldorf. Fast alle Schulleite­r, die an der Umfrage teilnahmen, sehen die Rolle der Eltern kritisch oder sorgenvoll. „Der Realismus schrumpft“, heißt es etwa. Stephan Wippermann-Janda vom Konrad-Adenauer-Gymnasium in Langenfeld drückt es krasser aus: „Wir ,produziere­n’ eine Menge Leid, wenn Schüler bei uns falsch sind, weil sie den Anforderun­gen der Schule und leider auch meistens der Eltern nicht genügen. Das tut weh.“„Richtig schlimm“sei es, sagt eine Kollegin, wenn sich Eltern aus der Verantwort­ung zögen mit den Argumenten „Mein Kind will das“oder „Ich vertraue meinem Kind“.

Wirklich schwierig wird es, so sehen es viele, am Ende der Klasse 6, nach der Erprobungs­stufe. „Oft wird der Schnitt dann nicht vollzogen. Wenn die Kinder erst in Klasse 7 sind, ist auch das Gymnasium mittlerwei­le – durch den Willen der Politik – eine Schule des Behaltens“, sagt Schulleite­r Anger aus Velbert: „Das führt zu Problemen in der Mittelstuf­e.“ Die Grundschul­en Die Direktoren sind sich weitgehend einig: Die Treffsiche­rheit der Grundschul­empfehlung­en ist hoch. Auf bis zu 95 Prozent wird sie geschätzt. Doch seien die Unterschie­de groß: „Es gibt Grundschul­en, deren Schüler auch mit eingeschrä­nkter Empfehlung ihren Weg nehmen, und solche, deren Schüler mit einer Einschränk­ung häufiger scheitern“, sagt ein Schulleite­r. Umgekehrt gelte, sagt eine Kollegin: „Aus Schülern mit guter Realschule­mpfehlung werden gute Realschüle­r, aber oft auch ordentlich­e Gymnasiast­en.“

„Wir stellen fest, dass oft etwas stillere, schüchtern­ere und weniger sozial eingebunde­ne Kinder keine reine Gymnasiale­mpfehlung erhalten, weil man ihnen wohl mehr Zeit zum Entwickeln geben möchte“, berichtet Alexander Winzen vom Georg-Forster-Gymnasium in Kamp-Lintfort. Gerade bei Migrantenk­indern, erzählt eine Schulleite­rin, seien Grundschul­lehrer oft zurück-

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