Die Schule der Nation
DÜSSELDORF Nun geht es also wieder los – die Sommerferien sind vorbei. Rund ein Viertel der neuen Gymnasiasten in NRW wird heute ohne oder mit eingeschränkter Gymnasialempfehlung an den Start gehen. Die Umfrage unserer Redaktion an den Gymnasien gibt nicht nur Aufschluss über die Zahlen, sondern auch über die Gedanken, die sich viele Schulleiter über ihre Schüler machen. Die meisten, die antworteten, gaben – auch wenn sie nicht immer ihre Namen in der Zeitung lesen wollen – ausführlich Auskunft. Vier Problemfelder erscheinen besonders wichtig. Das Selbstverständnis Die Zusammensetzung der Schülerschaft wandelt sich. Mehr als 40 Prozent der Viertklässler wechseln inzwischen ans Gymnasium – 1970 waren es 24 Prozent. Die meisten Gymnasien verstehen sich heute selbstverständlich als Ort intensiver Förderung, nicht mehr als Ausleseanstalten. Dennoch sind die Schulleiter uneins, ob der Anteil der Schüler ohne Empfehlung problematisch ist. „In den großen Klassen mit bis zu 32 Schülern ist eine individuelle Förderung nur begrenzt möglich“, sagt ein Schulleiter aus Düsseldorf. Ein Kollege ergänzt, das achtjährige Gymnasium lasse eine solche Zuwendung schlicht nicht zu.
Dahinter steht die alte Debatte, ob die gymnasiale Schülerschaft nach Herkunft und Begabung möglichst homogen sein sollte. Für eine „überholte Definition“hält das eine Schulleiterin: „Wir können doch nicht nur Kinder mit dem richtigen Elternhaus aufnehmen. Es ist unsere Pflicht, ein Kind, wenn es lernbereit ist, zum Abitur zu führen.“Die meisten Schulleiter halten die derzeitige Quote von Schülern ohne reine Gymnasialempfehlung für verkraftbar. Michael Anger vom Nikolaus-EhlenGymnasium in Velbert etwa resümiert: „Viele Fördermaßnahmen greifen. Auch eine eingeschränkte Empfehlung kann ein gutes Abitur erreichen.“ Die Eltern Sie sind die ausschlaggebende Instanz bei der Entscheidung über die weiterführende Schule, seit NRW 2010 die Verbindlichkeit der Grundschulgutachten abgeschafft hat. Das sei ein Beitrag zur „Deprofessionalisierung der Schule“, schimpft ein Direktor aus Düsseldorf. Fast alle Schulleiter, die an der Umfrage teilnahmen, sehen die Rolle der Eltern kritisch oder sorgenvoll. „Der Realismus schrumpft“, heißt es etwa. Stephan Wippermann-Janda vom Konrad-Adenauer-Gymnasium in Langenfeld drückt es krasser aus: „Wir ,produzieren’ eine Menge Leid, wenn Schüler bei uns falsch sind, weil sie den Anforderungen der Schule und leider auch meistens der Eltern nicht genügen. Das tut weh.“„Richtig schlimm“sei es, sagt eine Kollegin, wenn sich Eltern aus der Verantwortung zögen mit den Argumenten „Mein Kind will das“oder „Ich vertraue meinem Kind“.
Wirklich schwierig wird es, so sehen es viele, am Ende der Klasse 6, nach der Erprobungsstufe. „Oft wird der Schnitt dann nicht vollzogen. Wenn die Kinder erst in Klasse 7 sind, ist auch das Gymnasium mittlerweile – durch den Willen der Politik – eine Schule des Behaltens“, sagt Schulleiter Anger aus Velbert: „Das führt zu Problemen in der Mittelstufe.“ Die Grundschulen Die Direktoren sind sich weitgehend einig: Die Treffsicherheit der Grundschulempfehlungen ist hoch. Auf bis zu 95 Prozent wird sie geschätzt. Doch seien die Unterschiede groß: „Es gibt Grundschulen, deren Schüler auch mit eingeschränkter Empfehlung ihren Weg nehmen, und solche, deren Schüler mit einer Einschränkung häufiger scheitern“, sagt ein Schulleiter. Umgekehrt gelte, sagt eine Kollegin: „Aus Schülern mit guter Realschulempfehlung werden gute Realschüler, aber oft auch ordentliche Gymnasiasten.“
„Wir stellen fest, dass oft etwas stillere, schüchternere und weniger sozial eingebundene Kinder keine reine Gymnasialempfehlung erhalten, weil man ihnen wohl mehr Zeit zum Entwickeln geben möchte“, berichtet Alexander Winzen vom Georg-Forster-Gymnasium in Kamp-Lintfort. Gerade bei Migrantenkindern, erzählt eine Schulleiterin, seien Grundschullehrer oft zurück-