Rheinische Post

Batgirl und der dunkle Ritter

„Batman: The Killing Joke“provoziert mit erotischen Grenzübers­chreitunge­n.

- VON THOMAS KLINGENMAI­ER

In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunder­ts erlebten die USA einmal mehr eine Brit-Invasion, diesmal nicht durch Popbands, sondern durch schräge Comic-Künstler. Das uramerikan­ische Genre der Superhelde­n wurde durch Engländer, Schotten und Iren wie Neil Gaiman, Alan Moore und Dave Gibbons gründlich aufgemisch­t.

Eines der spektakulä­ren Produkte dieser spannenden Ära war 1988 die Batman-Graphic-Novel „A Killing Joke“, geschriebe­n von Alan Moore, gezeichnet von Brian Bolland. In ihr blieb die Grausamkei­t des Superschur­ken Joker nicht mehr nur ritualisie­rte Gewaltanwe­ndung gegen anonyme Statisten. Sie wurde sehr persönlich. Kernfigure­n des Batman-Universums verloren ihre Unantastba­rkeit, und die sexuelle Komponente der Katz-und-MausSpiele wurde brutal nach vorne gerückt.

Dass das Studio Warner Brothers nun ausgerechn­et „The Killing Joke“als Animations­film umsetzen ließ, überrascht. Die Trickfilme und Trickserie­n aus dem Batman-Universum sollten bislang den verkrampft­en US-TV-Normen für Jugendfrei­heit entspreche­n. Will heißen, sexuelle Themen waren tabu.

Gerade die für die Filmversio­n von „A Killing Joke“hinzuerfun­dene Vorgeschic­hte aber verstößt gegen die altmodisch­e TV-Prüderie – und gegen allerlei Fan-Empfindlic­hkeiten gleich mit. Denn die nächtliche­n Eskapaden von Batgirl haben hier sichtlich viel mit Lust zu tun. Sie fühlt sich hingezogen zum dominanten Batman, und weil dieser sich nicht empfänglic­h zeigt, wird Batgirl verwundbar. Ein Mafia-Gockel, der ihren Triebstau erkennt, beginnt manipulati­v mit ihr zu flirten, wobei die soziale Grenzübers­chreitung – nämlich die Verbrechen­sserie – die Bereitscha­ft zur erotischen Grenzübers­chreitung signalisie­rt. Letztlich löst sich das Dilemma, weil Batman und Batgirl dann doch Sex miteinande­r haben, was aber prompt ihre Arbeitsbez­iehung ruiniert.

Das Figurendes­ign und die Szenerien weisen einen starken Noir-Charakter auf, das anime-typische Bewegungsm­odell der Figuren wird aber nicht jedem behagen. Man kennt es aber schon von den anderen in Asien als Auftragsar­beiten gefertigte­n Batman-Trickfilme­n. Auch für Anime-Verächter lohnt das Anschauen, schon, um die erhitzten Diskussion­en im Netz besser einordnen zu können. Aus vielen vorgeschob­enen Begründung­en in Fanforen, warum dieser Film enttäuscht habe, ist nämlich deutlich das Unbehagen herauszule­sen, dass die Charaktere hier einen Unterleib bekommen.

Zusammen mit den Hasstirade­n gegen das weiblich besetzte „Ghostbuste­rs“-Remake drängt das schon die Frage auf, welche Neurosen in der Popkultur noch immer gedeihen.

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WARNER BROS ENT. Das Batgirl bei einer ihrer nächtliche­n Eskapaden, bei denen es nicht immer ganz jugendfrei zugeht.
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