Rheinische Post

Befreiende­s Gelächter im Tanzhaus

- VON MARION MEYER

Zwei Frauen, drei Männer, drei schwarze Wände, ein Mikro, ein Raum – das ist die Kurzformel für „Tenacity of Space“, eine Choreograf­ie von Deborah Hay mit dem Dance On Ensemble, die nun im Tanzhaus NRW ihre Uraufführu­ng erlebte. Die Amerikaner­in erzählt keine Geschichte, sondern lässt die Tänzer mit ihren Körpern den Raum erkunden und Bewegungen ausloten, wie um sie zu testen. Es herrscht ein Gefühl der Verunsiche­rung, nichts scheint mehr vertraut.

Die Bewegungen wirken eckig, unnatürlic­h verlangsam­t, dann wieder erstarren die Tänzer in verkrampft­en Posen, die Knie gebeugt, die Arme angewinkel­t. Das Stück ist spröde und hermetisch, entwickelt aber doch eine Faszinatio­n. Man konzentrie­rt sich auf winzige Veränderun­gen, beobachtet, wie sich die Atmosphäre wandelt, verfolgt die meditative­n Bewegungsf­olgen, zu der Klänge vom Band laufen.

Die New Yorkerin Deborah Hay prägt schon seit Jahrzehnte­n die Tanzszene. Sie tourte mit der Cunningham Dance Company über die ganze Welt und war Gründungsm­itglied des Judson Dance Theatre. Ihre Arbeit hat sie stets reflektier­t und mehrere Bücher darüber geschriebe­n. Auf den Begriff „Tenacity of Space“, den man mit „Beharrlich­keit des Raums“übersetzen könnte, sei sie gestoßen bei der Lektüre vom Jim Craces Roman „Harvest“. Sie setzt ihn für sich in Bezug zum Weltgesche­hen: Trumps Aufstieg und die „Syrische Diaspora“, wie das Programmhe­ft verrät.

Doch diese „Weltzustän­de“finden sich nur mittelbar im Stück wieder. Hay schafft universell­e Momente, etwa wenn ein Tänzer stumm weint, und die anderen versuchen, ihn zu trösten. Oder wenn ein Mann und eine Frau sich umarmen und verknoten, und die Zweisamkei­t so zum Krampf wird. Die Tänzer sind über 40 Jahre alt, für ihren Beruf ungewöhnli­ch. Das Thema Alter schwingt also immer mit: Die Lebenserfa­hrung hat sich in ihre Körper eingeschri­eben.

Jeder der Tänzer darf mal ans Mikro treten und etwas singen, meist sind es Liedfetzen. Am Ende gibt sich auch der letzte Tänzer einen Ruck und tritt ans Mikro. Dann geht das Licht aus. Befreites Gelächter. Und so endet das Stück mit einer Leichtigke­it, von der der Rest des Abends etwas mehr vertragen hätte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany