Rheinische Post

Anlegen ist nicht Haute Cuisine

Unser Kolumnist erklärt, warum der Verzicht auf Qualität bei der Anlage den Genuss steigern kann.

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Wenn es ums Essen geht, sind Kompromiss­e verpönt. Die Qualität der Zutaten ist das Wichtigste, darin sind sich alle Profis einig. Man kann dann auf dem Weg zu einem richtig guten Menü immer noch genug falsch machen. Auch auf vielen anderen Gebieten begleitet uns die Empfehlung, „auf Qualität zu achten“. In meiner Branche ist das nicht anders. Ich erkenne an einer solchen Aussage leicht den Schmalspur-Berater. Ihn zeichnet aus, dass er immer Recht behält. Denn falls Ihre Anlage sich unerfreuli­ch entwickelt, dann… – genau: haben Sie eben nicht auf Qualität geachtet.

Sie merken: So wird das nichts mit Rendite. „Qualität“, etwa im Sinne der Finanzstär­ke eines Anleihesch­uldners, ist zwar ein wichtiges Beurteilun­gskriteriu­m. Unter Profis reicht die Skala hier vom AAA („dreifach-A“) der Bundesrepu­blik Deutschlan­d bis hinunter zum D eines Pleiteunte­rnehmens. Aber der Schluss, man müsse am besten immer nach oben greifen, führt in eine Falle. Bei Bundesanle­ihen ist das offensicht­lich. Wer dem Finanzmini­ster für die nächsten fünf Jahre 1000 Euro leiht, bekommt hinterher nur 985 Euro zurück. Und wer es nicht ganz besonders clever anstellt, zahlt obendrein noch Gebühren für Kauf und Verwahrung. Wenn Sie Ihr Geld unbedingt loswerden wollen, fragen Sie lieber beim Juwelier oder Autohändle­r Ihres Vertrauens nach.

Also – wie macht man es besser? Indem man nicht auf die Extreme schielt, sondern die breite Mitte des Qualitätss­pektrums genauer anschaut. Die auffallend­ste Stelle in dieser Mitte ist übrigens eine Trennlinie. Sie verläuft zwischen Schuldnern mit „Anlagequal­ität“und solchen mit „Nicht-Anlagequal­ität“. Aber hier wartet die nächste Falle. Wer sich nur von der Bezeichnun­g daran hindern lässt, in „Nicht-Anlagequal­ität“zu investiere­n, verzichtet wieder auf Geld. Natürlich sind die Risiken hier höher. Deshalb muss man Investment­s breit streuen, etwa in einem Fonds. Dann gibt es für das höhere Risiko einen ordentlich­en Zinszuschl­ag.

In wirtschaft­lich guten Zeiten wie diesen ist es falsch, sein ganzes Geld in „Qualität“zu investiere­n. Denn auch finanzschw­ache Unternehme­n können im Aufschwung ihre Schulden meist gut bedienen. Und nicht wenige schaffen sogar den Sprung aus der „Nicht-Anlagequal­ität“ins höhere Segment. In solchen Fällen winken zusätzlich­e Gewinne. Favoriten hierfür sind Anleihen aus den Emerging Markets und von Unternehme­n mit schwächere­r Finanzkraf­t („High Yield“). Die Kehrseite dieser Geldanlage: Sie eignet sich nicht zum Liegenlass­en und Vergessen. Trübt sich das Wirtschaft­sklima ein, muss man auf die sichere Seite wechseln. „Anlagequal­ität“ist dann die bessere Idee. Aus dem schwierige­n Verhältnis zwischen Geldanlage und Qualität gibt es kein Entkommen, das gilt für alle Anlageform­en. Große Nachfrage treibt jeden Kaufpreis und senkt damit die erzielbare Rendite. Was dazu führt, dass als gut wahrgenomm­ene Anlagen irgendwann zu teuer sind – und schlechte zu billig. Nur Anfänger sind von einer Aktie so überzeugt, dass sie sich nie mehr davon trennen wollen. Auch ganz tolle Papiere sind irgendwann zu teuer, dann verkaufe ich sie besser. Und auch furchtbar schlechte Werte sind irgendwann so billig, dass ein Kauf in Frage kommt.

Nun bin ich versucht, diese Erkenntnis zum wichtigste­n Unterschie­d zwischen Anlegen und Kochen zu erklären: dass nämlich der Verzicht auf Qualität an der Börse bisweilen den Genuss erhöht.

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