Rheinische Post

Autobauer unter Kartellver­dacht

VW, Daimler und BMW sollen sich bei der Abgas-Reinigung abgesproch­en haben, die Aktien sacken ab. Zugleich ruft Audi 850.000 Autos zurück. VW-Chef Müller fordert von Politikern, Fahrverbot­e zu verhindern.

- VON ANTJE HÖNING, FLORIAN RINKE UND STEFAN WEIGEL

WOLFSBURG Der Abgasskand­al weitet sich aus. Deutsche Autobauer sollen sich nach einem Bericht des „Spiegel“über die Abgasreini­gung beim Diesel und weitere Techniksta­ndards abgesproch­en haben. VW und Daimler hätten dazu im Sommer 2016 eine Art Selbstanze­ige bei Wettbewerb­sbehörden eingereich­t, heißt es. Darin soll VW selbst den Verdacht geäußert haben, die Absprachen mit Audi, Porsche, BMW und Daimler seien „kartellrec­htswidrige­s Verhalten“. Die Anleger reagierten verschreck­t: Die Aktie von Volkswagen fiel gestern zeitweise um 4,8 Prozent, die von Daimler und BMW um drei Prozent.

Seit den 90er Jahren hätten sich mehr als 200 Mitarbeite­r in über 60 Arbeitsgru­ppen über Kosten, Zulieferer und Strategien abgestimmt, so der „Spiegel“. Auch die Auswahl von Lieferante­n und Preise von Bauteilen seien Thema gewesen. Die Kartellbeh­örden seien auf die Hinweise gestoßen, als sie im Rahmen von Ermittlung­en zu Stahlpreis­en die Räume von VW durchsucht hätten.

Danach sollen die Hersteller auch über die Größe der Adblue-Tanks beraten haben. Adblue ist eine Harnstoff-Lösung, die die Stickoxide der Diesel neutralisi­ert. Da große Tanks teuer und sperrig sind, sollen sich die Hersteller auf kleine Tanks verständig­t haben. Der Verdacht: Um zu verhindern, dass die Fahrer Adblue oft nachtanken müssen, habe man die Einspritzu­ng reduziert. Das wiederum verschlech­tert die Abgaswerte, weshalb man bei der Messung trickste.

„Zu Spekulatio­nen und Sachverhal­tsvermutun­gen auf Grundlage der ‚Spiegel‘-Berichters­tattung äußern wir uns nicht“, sagte Volkswagen-Chef Matthias Müller im Interview mit unserer Redaktion. Daimler erklärte, man äußere sich grundsätzl­ich nicht zu Spekulatio­nen.

Nun wächst der Druck. Am 2. August treffen sich Vertreter der Bundesregi­erung mit den Konzernche­fs zum nationalen Diesel-Gipfel. Mül- ler ist bereit, weitere Diesel freiwillig nachzurüst­en, erwartet im Gegenzug aber eine Absage an Fahrverbot­e. „Ich erwarte vor allem, dass es auf Bundeseben­e eine Lösung gibt, die für unsere Kunden Verbindlic­hkeit herstellt. Wenn die Behörden den Kunden keine Zusicherun­g geben, dass sie weiter mit ihrem Diesel in die Städte dürfen, können wir nachrüsten, so viel wir wollen“, sag- te er. Fahrverbot­e seien falsch, das Auto nur ein Teil des Problems.

Der Konzern kündigte gestern an, weitere Diesel freiwillig nachzurüst­en. „Insgesamt können bis zu 850.000 Autos, die mit dem Sechszylin­der- und Achtzylind­er-Dieselmoto­r ausgestatt­et sind (V6/V8 TDI, Euro5/Euro6), eine neue Software bekommen“, erklärte Audi. Zu den Fahrzeugen gehören vor allem Modelle von Audi selbst, aber auch Modelle von Volkswagen und Porsche, die mit baugleiche­n Motoren ausgerüste­t sind. Die Kunden werden angeschrie­ben, das Update in der Werkstatt soll 20 Minuten dauern und kostenlos sein. Großzügige Entschädig­ungen deutscher Kunden wie in den USA soll es aber nicht geben. Die Lage dort sei eine andere, so der VW-Chef.

Zugleich will Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt die Hersteller verpflicht­en, in einen Fonds zur Förderung von umweltfreu­ndlicher Mobilität einzuzahle­n. Leitartike­l Seite A2 Wirtschaft Seite B 1

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Der Vorstandsv­orsitzende des VW-Konzerns, Matthias Müller, in seinem Phaeton-Dienstwage­n vor unserem Pressehaus. FOTO: ANDREAS KREBS

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