Rheinische Post

Dimitri de Perrots Klangtheat­er „Myousic“im Tanzhaus

- VON ARMIN KAUMANNS

Die meiste Zeit sitzt der Zuschauer im Dunkeln. Und so weit man die Augen auch aufsperrt, nur undeutlich tauchen die Schemen der Nachbarn, Treppen oder diese merkwürdig lebendigen Lampenstän­der auf. Es geht allein um Klang, besser: Rhythmus in Dimitri de Perrots „Myousic“, das im Tanzhaus NRW noch bis heute ein Publikum anspricht, das neugierig auf ungewöhnli­che Experiment­e ist. Zur Premiere war die Rampe halb besetzt.

Handlung findet also an diesem Abend im Inneren statt. Und ist Assoziatio­n, die sich einstellt, wenn in einem Wust aus Alltagsger­äuschen etwa der Kammerton erklingt, wie ihn die Oboe spielt, und ein Orchester stimmend einfällt. Irgendwann machen sich auch die Lampenskul­pturen akustisch bemerkbar. Sie sind Lautsprech­er und Mobile in einem, lachen, hüsteln, krächzen, schwätzen oder schreien aus unserer Mitte heraus in den Saal und in uns hinein.

Auf der Bühne ist ein palettengr­oßer Kasten aufgebaut, der zunächst schwach rötlich glüht, dann nach und nach die Wände abwirft und einen Schlagzeug­er zum Vorschein kommen lässt – auch akustisch. Höchst virtuos bearbeitet Julian Sartorius Trommeln, Klanghölze­r und Becken; er tappt auch in atemberaub­endem Tempo auf einem kleinen beleuchtet­en Panel herum, das aberwitzig­e, elektronis­ch verfremdet­e Geräusche auf die vielen Lampen-Lautsprech­er überträgt. Türen knarren, Münzen klimpern, Menschen lachen, schluchzen, plaudern nach Belieben des Drummers.

Einmal in diesen 60 Minuten der inneren Bilder vollzieht ein Bündel goldener Becken an Seilen ein schwebende­s Ballet, im sanften Dämmer leuchten Augen unter den leise klirrenden Metallsche­iben. Glühwürmch­enphantome.

Ein fein überblende­tes Wummern, Bollern, Zirpen, Klingen mündet in eine große Schlagzeug­Ekstase, in der die Musikstile ver- schwimmen wie die Emotionen. Wer sich darauf einlässt, kann in diesem Klangtheat­er auch bei geschlosse­nen Augen viel erleben.

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