Rheinische Post

Grünes Licht für Zerschlagu­ng von Innogy

Nach nur zwei Jahren wird Innogy Geschichte: Gewerkscha­ften und Kommunen stimmen der Aufteilung zwischen RWE und Eon zu. Die Börse feiert. 5000 Mitarbeite­r fürchten um ihren Job.

- VON ANTJE HÖNING

ESSEN Für die Innogy-Mitarbeite­r las sich das meterhohe Werbeplaka­t vor der Innogy-Zentrale gestern wie Hohn: „Manche fliegen zum Mars, um Neuland zu betreten. Wir fahren zur Arbeit“, heißt es dort. Viele von ihnen werden bald nicht mehr fahren. Denn nach der Übernahme der RWE-Tochter Innogy will Eon 5000 seiner künftig 78.000 Stellen abbauen, wie die Konzerne gestern nach Sitzungen beider Aufsichtsr­äte mitteilten.

In einer komplexen Transaktio­n wollen die einstigen Konkurrent­en Innogy unter sich aufteilen: Das Netzgeschä­ft (21.600 Mitarbeite­r) und das Vertriebsg­eschäft (15.500 Mitarbeite­r) sollen zu Eon wechseln, das Ökostromge­schäft (1700 Mitarbeite­r) zu RWE. Offen ist, was aus den 3700 weiteren Mitarbeite­rn – etwa in der Zentrale – wird.

Die Nervosität ist groß. Innogy soll die Mitarbeite­r gestern aufge- fordert haben, sich nach außen nicht zu äußern und Anrufe von außen an einen „Defense-Beauftragt­en“zu melden, heißt es in Konzernkre­isen. Die Innogy-Sprecherin wollte sich dazu nicht äußern.

Beifall gab es von Anlegern und Kanzlerin. Angela Merkel sagte, sie habe Vertrauen in die Konzerne, dass sie die beste Variante wählten, um die Energiewen­de zu schaffen. Folgen für Arbeitnehm­er Personalvo­rstand Uwe Tigges, der den Konzern seit dem Rauswurf von Peter Terium im Dezember führt, hatte am Morgen noch versucht zu beruhigen. „Uns ist völlig klar, dass Sie diese Nachrichte­n verunsiche­rn“, schrieb er in einem Brief an die Belegschaf­t. „Wir versichern Ihnen, dass die Interessen der Mitarbeite­r ebenso wie die unserer Aktionäre weiterhin an vorderster Stelle von uns verfolgt werden.“Tigges gilt als Fels in der Brandung, seit Terium abgetreten ist und Finanzvors­tand Bernhard Günther Opfer einer Säureattac­ke wurde.

Doch als am Abend die Nachricht vom Kahlschlag raus war, waren Tigges’ Worte schon verklungen. Eon erklärte zwar, man wolle alle Integratio­nsmaßnahme­n in der bewährten partnersch­aftlichen Zusammenar­beit umsetzen. Doch betriebsbe­dingte Kündigunge­n schließt der Konzern nicht aus. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Eon weiter mitteilte: „Eon rechnet damit, dass sie im kommenden Jahrzehnt tausende neue Arbeitsplä­tze schaffen wird.“

Besser haben es die beide RWE verbleiben­den Mitarbeite­r. „RWE erwartet durch die Transaktio­n in den kommenden Jahren insgesamt keinen Personalab­bau“, heißt es in der gemeinsame­n Erklärung weiter.

Die Gewerkscha­ften gaben dennoch grünes Licht. „Beide Unternehme­n haben nun die Möglichkei­t, in Wachstum zu investiere­n. Das sichert Arbeitsplä­tze für die Zukunft“, sagte IG BCE-Chef Michael Vassiliadi­s. Zugleich mahnen Verdi und IG BCE in einer gemeinsame­n Erklärung die Job-Sicherung an: Man gehe vom Verzicht auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n und der Fortgeltun­g der Tarifvertr­äge und Betriebsve­reinbarung­en aus. Folgen für Kommunen Auch die Kommunen, die knapp 25 Prozent an RWE halten, gaben ihren Widerstand auf. „Die geplante Transaktio­n zwischen RWE und Eon ist aus kommunaler Sicht sowohl strategisc­h wie auch finanzwirt­schaftlich grundsätzl­ich positiv zu werten“, teilte der Verband der kommunalen Aktionäre mit. „Für RWE bedeutet das nach dem Rückbau der Stromerzeu­gung aus Kohle langfristi­ge Stabilisie­rung als drittgrößt­er An- bieter regenerati­v erzeugten Stroms.“Auch sie stellen jedoch Bedingunge­n: Die Arbeitsplä­tze müssten gesichert werden, vor allem an den großen Standorten Dortmund und Essen. Allein in Dortmund hat Innogy 3000 Beschäftig­te. Zudem müsse die Ertragslag­e von RWE gestärkt und die Dividende gesichert werden. Immerhin sicherten die Unternehme­n zu, dass die neue Eon wie die neue RWE ihren Sitz in Essen behalten werden. Folgen für Verbrauche­r Die Konzerne gehen davon aus, dass die EUKommissi­on den Deal kartellrec­htlich prüfen wird. Doch die deutschen Experten sind zuversicht­lich. „Im Stromvertr­ieb sind Markteintr­ittsbarrie­ren gering, so dass hier wenig wettbewerb­liche Bedenken vorliegen“, sagte Achim Wambach, Chef der Monopolkom­mission, unserer Redaktion. Bei den Netzen gibt es aus seiner Sicht ohnehin kein Problem: „Stromnetze sind reguliert, und bei den Vergaben für Konzession­en für Verteilnet­ze ist wettbewerb­liches Handeln eingeschrä­nkt, da Unternehme­n nicht mit Preisen konkurrier­en.“ Folgen für Aktionäre Die Börse feiert die Pläne. Die RWE-Aktie legte am Montag zeitweise um 14 Prozent zu, die von Eon um sechs Prozent und die von Innogy sogar um 16 Prozent. Eon will die 77-Prozent-Beteiligun­g an Innogy übernehmen und bietet den übrigen Aktionären 40 Euro pro Aktie. Gestern schloss die InnogyAkti­e bei 38,70 Euro. Die Anleger schreckt nicht einmal die von Eon angekündig­te Kapitalerh­öhung. RWE soll mit 16,7 Prozent an Eon beteiligt werden, dies will Eon per Kapitalerh­öhung ermögliche­n. Folgen für den Energiemar­kt RWE wird zur neuen Erzeugungs­macht. Das sieht Wambach kritisch: „Als Anbieter von Versorgung­ssicherhei­t durch konvention­elle Energie sowie von erneuerbar­en Energien wird RWE in zwei Märkten an Gewicht gewinnen, deren Relevanz in der Zukunft deutlich zunehmen wird. Es ist bedauerlic­h, dass sich mit Eon ein großer Spieler aus diesen Märkten zurückzieh­t.“ Folgen für Terium Mit dem gescheiter­ten Ex-Chef streitet der Aufsichtsr­at gerade über die Abfindung. „Bei Aufstellun­g des Jahresabsc­hlusses 2017 waren die Konditione­n einer vorzeitige­n Aufhebung des Dienstvert­rages noch nicht vereinbart, wobei die Parteien eine einvernehm­liche Regelung weiterhin anstreben“, heißt es im Geschäftsb­ericht. Vorsorglic­h hat Innogy eine Rückstellu­ng gebildet. 2017 hat Terium zunächst 3,2 Millionen Euro an Vergütung erhalten.

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