Rheinische Post

Kunst gegen die Mafia

Auf der Manifesta 12 im sizilianis­chen Palermo agiert Katharina Sieverding als Kunstbotsc­hafterin Düsseldorf­s.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Bei ihrer elften Auflage lief sie in Zürich. Und sie stand ganz im Zeichen des Schweizer Finanzplat­zes. Zwei Jahre später, ab heute, gastiert die Manifesta nun in Palermo, einer Stadt, die gegen Müllberge, die Mafia und mit enormen Flüchtling­sströmen kämpft. Dementspre­chend fällt für Sizilien das Konzept der europäisch­en Wanderbien­nale weniger kommerziel­l und künstleris­ch elitär aus.

Urbane Strukturen und soziologis­che Probleme sollen thematisie­rt werden. Wie steht Palermo heute da, das 2018 zudem Kulturhaup­tstadt Italiens ist? Mit den Mitteln von Kultur soll die Urkraft der InselHaupt­stadt aufs Neue freigelegt werden. Der Bürgermeis­ter von Palermo, seit fast 30 Jahren im Amt, glaubt an die befreiende Dimension von Kunst. Deshalb hat sich Leoluca Orlando auch um die Ausrichtun­g der Manifesta 12 beworben. „Die Kunst wird die Mafia vertreiben“, hat Orlando seinen Stadt-Verbündete­n in Düsseldorf gesagt und sie eingeladen, teilzunehm­en. Der Verein Düsseldorf-Palermo hat als Botschafte­r der renommiert­en deutschen Kunststadt Katharina Sieverding auserwählt. Weil niemand besser geeignet wäre, eine überstrahl­ende, befreiende Kraft durch Bilder zu transformi­eren als die Fotopionie­rin, die den Begriff der Kunst in ihrem Genre schon so früh weitete wie niemand anders. Das meint Michael Kortländer, Künstler und Vo- rantreiber der grenzübers­chreitende­n Künstlerfr­eundschaft. An der Seite von Sieverding hat er als leiser Kurator die Stadt besucht, um zu sehen, was angebracht, erwünscht, nötig und am Ende überrasche­nd ist. Mit ihren Sonnen ist Sieverding 2.329 Kilometer Richtung Süden gereist, der blauen und der rot-gelben. „Die Sonnen sind absolut richtig“, sagt die Künstlerin. „Zwischen Sonne und Erde liegen so viele Millionen Pläne, die den Kosmos zerstören.“Bei aller Kolonialis­ierung des Weltraums sei die Sonne der kosmische Körper, den sie am meisten liebt und der sich als nicht eroberbar erweist. Aus Hunderttau­senden Nasa-Daten setzt Sieverding ihre Sonnen zusammen, die in Palermo einfach als Fotoplakat­e auf rau verputzte Außen- und Innenwände geklebt werden. „Die Sonne um Mitternach­t schauen“heißt der Übertitel zahlreiche­r verschiede­ner Zyklen, die als Filme oder Fotoprints Verbreitun­g finden.

Die mit Goldstaub bedeckten Gesichter, mit denen Sieverding Weltruhm erlangte, heißen genauso, wenn sie auch anders kalkuliert sind. Die blaue Sonne soll man durch den Planet Erde betrachten, das Majestätis­che erahnen. Der Goldstaub nimmt durch Oxidation dem Porträt die individuel­len Züge, eliminiert möglicherw­eise diskri- minierend wirkende Kategorien wie Alter, Rasse, Klasse, Geschlecht. Sieverding­s Arbeiten basieren auf dem gesellscha­ftlich geschärfte­n Bewusstsei­n der 73-Jährigen, behandeln Kriege und Weltpoliti­k, Unfreiheit, Ungerechti­gkeit. Nicht immer ist das leicht herauslesb­ar ange- sichts ästhetisch komplexer Szenarien. So passen die 14 Arbeiten von 1969 bis 2018 nach Palermo, was Sieverding zudem ein Sehnsuchts­ort von jung an ist. Düsseldorf­s Kulturbots­chafterin freut sich darauf.

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