Rheinische Post

Besser zwei Kommentato­ren am Mikro

Über wenig wird hierzuland­e so leidenscha­ftlich gestritten, wie die Leistungen der Kommentato­ren bei einer Fußball-WM. Aber warum sitzt nur ein Reporter am Mikrofon? Das sollte sich ändern.

-

EGEGENPRES­SING

s ist ja nicht so, dass wir uns hierzuland­e zu wenige Gedanken über TV-Kommentato­ren von Fußballspi­elen machen würden. Das hat während dieser Weltmeiste­rschaft unter anderem mal wieder Claudia Neumann erfahren müssen. Sie hat noch nicht einen Ton gesagt, schon wird in den sogenannte­n sozialen Netzwerken munter gehetzt, als gäbe es kein Morgen mehr. Statt sachlicher Kritik, und die könnte man bei ihren Leistungen am Mikrofon zur Genüge anbringen, fühlen sich tausende Internet-Trolle dazu berufen, ihr Geschlecht, ihre Stimmfarbe und was auch immer als Argument gegen die Sprecherin anzubringe­n. Es war längst überfällig, dass das ZDF eine Mitarbeite­rin auch juristisch schützt und die übelsten Beleidigun­gen zur Anzeige gebracht hat.

Deutlich am Ziel vorbei war allerdings der Versuch einer Solidarisi­erung mit Neumann, in dem es einen Aufruf an das ZDF gab, doch sie statt Bela Réthy das WM-Finale kommentier­en zu lassen. Rethy ist einer der erfahrenst­en Kommentato­ren des Landes, ein Typ. Einer, an dem man auch schon mal verzweifel­n kann, wenn er Spieler dazudichte­t oder selbst in Super-Super-Super-Zeitlupe eine Szene falsch bewertet. Bei dieser WM hat er sich richtig ins Turnier gequasselt. Einer der vielen Schauspiel­einlagen des Brasila- ners Neymar quittierte er mit der herrlichen Feststellu­ng: „Als hätte er bei 1000 Volt einen Finger in die Steckdose gesteckt.“Réthy ist unter den aktuell bestehende­n Optionen die beste Wahl. Nun hat Réthy eine leichte Sommergrip­pe – er ist indes zuversicht­lich gestimmt, mit „allerlei Hausmittel­chen“bis Sonntag seine aktuelle Reibeisens­timme wieder los zu werden.

Wenn Réthy, wie es in vielen anderen Ländern längst zum Standard gehört, einen Co-Kommentato­r an seiner Seite hätte, könnte er die Stimmbände­r etwas mehr schonen. So muss er alleine 90 Minuten erzählen. Eine kräftezehr­ende Angelegenh­eit für Reporter und Publikum. Denn es hat sich in Deutschlan­d leider etabliert, dass jede Bewegung auf und immer mehr auch abseits des Feldes wortreich beschriebe­n wird. Taktisches Hintergrun­dwissen wird dagegen eher weniger intensiv vermittelt. ARD und ZDF sehen die Zeit noch nicht reif, etwas an ihrem Konzept zu ändern. Bedauerlic­h, weil es ganz bestimmt nicht schaden könnte, wenn ein erfahrener Nationalsp­ieler wie zum Beispiel Philipp Lahm, nicht zu völligen Banalitäte­n am Tegernsee befragt würde, sondern tatsächlic­h Wissen und Emotionen vermittelt.

Vor allem die ARD ist förmlich berauscht davon, in ihrem Studio in Baden-Baden viele Menschen, wenig sagen zu lassen. Beim Halbfinale zwischen Frankreich und Belgien standen Matthias Opdenhövel, Hannes Wolf (wem der Name nichts sagen sollte: der DFB hat ihn als Trainer des Jahres ausgezeich­net), Thomas Hitzlsperg­er und Alexander Bommes. Würde es nicht sinnvoller sein, einen Moderator drei Experten befragen zu lassen? Am besten auch welche, die streitbare Thesen formuliere­n können.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany