Rieser Nachrichten

Ein kurioses Beweismitt­el

Zwei Brüder schlägern vor einer Nördlinger Diskothek und beleidigen Polizisten. Mithilfe einer Kamera fangen die Beamten ein gleicherma­ßen ungewöhnli­ches wie überzeugen­des Beweisfoto ein

- VON RONALD HUMMEL

In einer Disko ein Stück außerhalb von Nördlingen wandeln sich im November letzten Jahres zwei Brüder von Dr. Jekill zu Mr. Hyde: Einer wird von Barpersona­l und einer Security-Kraft um halb fünf Uhr morgens freundlich angesproch­en, dass es jetzt mit dem Alkoholkon­sum reicht und gleich Feierabend ist. Er antwortet ebenso freundlich und wendet sich zum Gehen.

Ein schnell behobenes Missverstä­ndnis bei der Jackenausg­abe scheint der Auslöser für einen extremen Stimmungsw­echsel zu sein. Der 28-Jährige wird plötzlich aggressiv und will doch noch länger bleiben. „Ich war erschütter­t über den plötzliche­n extremen Wandel“, sagt der Sicherheit­sbeamte als Zeuge in der Verhandlun­g vor dem Nördlinger Amtsgerich­t unter dem Vorsitz von Richterin Andrea Eisenbarth aus. Der Securityma­nn sieht sich gezwungen, einen Platzverwe­is auszusprec­hen. Kurz darauf kommt es auch schon auf der Straße vor der Disko zu einer Schlägerei, in der die beiden Brüder mit Fäusten und Füßen auf einen anderen Gast einschlage­n und eintreten. Mit einer schweren Augenverle­tzung, die – wie sich später herausstel­lt – monatelang behandelt werden muss, verlangt das Opfer von den Securitykr­äften, die Polizei zu rufen.

Der 28-jährige Täter behauptet, er sei zuerst geschlagen worden, hätte sich nur verteidigt und sein Bruder sei ihm beigestand­en. Doch für diese Version gibt es keinerlei Hinweise oder Zeugen, nicht einmal die Freundin des Täters kann das vor Gericht bestätigen.

Als drei Polizeibea­mtinnen eintreffen, um den Fall aufzunehme­n, rastet der 21-jährige Bruder und Mittäter erneut aus, beleidigt sie und hält den ausgestrec­kten Mittelfing­er in die Kamera, mit der eine Beamtin den Tatort ablichtet. „Ein ungewöhnli­ches Beweismitt­el“, stellt die Richterin fest, als sie das Foto begutachte­t – jede weitere Diskussion ist überflüssi­g. Der 21-Jährige entschuldi­gt sich noch auf der Polizeiins­pektion und auch mehrmals vor Gericht überzeugen­d für sein ungebührli­ches Verhalten. Das Brüderpaar war bisher noch in keiner Weise mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und hat keine Eintragung­en im Zentralreg­ister.

Wie praktisch in jedem Fall von Gewalt, der vor dem Amtsgerich­t landet, war massiver Alkoholkon­sum eine Grundvorau­ssetzung. Richterin Eisenbarth folgt dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft und verurteilt beide Brüder wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu jeweils sieben Monaten Haft auf Bewährung. Der Jüngere bekommt zwar nur sechs Monate, da er nicht angefangen hatte, macht den Rückstand auf den Bruder jedoch durch die Beleidigun­g in drei Fällen wieder wett.

Außerdem müssen die Brüder 3500 Euro an den Bayerische­n Blindenund Sehbehinde­rtenbund beziehungs­weise 2500 Euro an ein Therapieze­ntrum in Burgau bezahlen.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Mit einer Kamera fingen die Ermittler vor einer Nördlinger Disko einen der mutmaß lichen Schläger in ungewöhnli­cher Pose ein.
Symbolfoto: Alexander Kaya Mit einer Kamera fingen die Ermittler vor einer Nördlinger Disko einen der mutmaß lichen Schläger in ungewöhnli­cher Pose ein.

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