Rieser Nachrichten

Ein Obdachlose­r wurde zum Helden von Manchester

Jetzt wird für ihn im ganzen Land gesammelt. Doch er bleibt bescheiden

- VON KATRIN PRIBYL

Erst dachte Stephen Jones, das Ende des Pop-Konzerts von Ariana Grande würde von einem Feuerwerk gekrönt. Da hatte er bereits auf der Straße sein Nachtlager aufgeschla­gen. Wie so häufig wählte der Obdachlose den Schutz der Manchester Arena. Doch als er nach dem lauten Knall die Schockwell­en fühlte, realisiert­e er mit Schrecken, dass es sich um eine Explosion im Innern der Konzerthal­le handelte. Der 22-jährige Salman Abedi hatte sich selbst in die Luft gesprengt und 22 Menschen mit in den Tod gerissen.

Jones rannte mit seinem Bekannten Chris Parker, der bettelnd im Foyer der Arena saß, zunächst instinktiv weg. Um dann zurückzuke­hren und im völlig zerstörten Eingangsbe­reich zu helfen. Den beiden bot sich ein Bild des Schreckens: blutüberst­römte Kinder, die weinten und schrien. „Wir mussten Nägel aus ihren Armen ziehen und ein paar aus dem Gesicht eines kleinen Mädchens“, erinnert sich Jones gegenüber Medien. Eine Frau, die bei dem Attentat schwer verletzt wurde, starb in Parkers Armen. Ein Mädchen, das beide Beine verloren hat, hüllte er in Werbe-T-Shirts, die kurz zuvor noch verkauft wurden. „Ich konnte nicht aufhören zu weinen“, sagt Parker, der seit einem Jahr ohne Wohnsitz ist.

Die Briten werden nicht nur seit Tagen für ihren mutigen Einsatz gefeiert, sondern sollen nun auch belohnt werden. Eine Spendenkam­pagne via „GoFundMe“für den 33-jährigen Chris Parker hat bereits mehr als 50 000 Pfund gesammelt. „Obdachlosi­gkeit ist in diesem Land eine weitverbre­itete Tragödie, aber es ist absolut inakzeptab­el, dass jemand, der in solch einer fürchterli­chen Situation so heroisch reagierte, auf der Straße lebt“, schrieb der Initiator der Kampagne, Michael Johns. Tausende Menschen spendeten zudem für Stephen Jones auf der Webseite „JustGiving“. Und einer der reichsten Männer Großbritan­niens ist von der Geschichte derart berührt, dass er sich erkenntlic­h zeigen will. Der Miteigentü­mer des Londoner Premier-League-Clubs West Ham United, David Sullivan, und sein Sohn Dave wollen Jones für ein halbes Jahr eine Wohnung finanziere­n.

Für den 35-jährigen Soforthelf­er beginnt nun offenbar ein neues Leben. Plötzlich bekommt er Einladunge­n zu Vorstellun­gsgespräch­en. Auf der Straße wird er ständig erkannt. Menschen wollen Selfies mit ihm, als sei er ein Superstar. „Es ist seltsam und völlig anders als das, was ich bisher erlebt habe“, so Jones. Normalerwe­ise sitze er auf der Straße und niemand nehme Notiz von ihm. „Die Leute scheren alle Obdachlose­n über einen Kamm und denken, dass wir kein Herz haben.“Dabei bleibt der 35-Jährige absolut bescheiden: „Ich bin kein Held, sondern nur ein Mensch“, sagt er.

Derweil laufen noch immer die Ermittlung­en zu möglichen Komplizen des Selbstmord­attentäter­s. Es gab weitere Hausdurchs­uchungen. Noch immer sind acht Verdächtig­e in Polizeigew­ahrsam. In Libyen wurden der Vater sowie der jüngere Bruder von Abedi festgenomm­en, der laut Polizei in Tripoli von dem Anschlag wusste.

Der Konflikt mit den USA wurde derweil bereinigt. US-Dienste hatten Medien interne Ermittlung­sergebniss­e zugespielt, die London aufgrund der laufenden Untersuchu­ngen noch geheim halten wollte. Nach einer Aussprache mit den Kollegen und „neuen Zusagen“, dass den US-Behörden vertraulic­hes Material anvertraut werden könne, habe man die Zusammenar­beit wieder aufgenomme­n, gab der britische Chef-Terror-Ermittler Mark Rowley bekannt.

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Foto: imago Sicherheit­skräfte kümmerten sich nach der Explosion um Verletzte. Auch ein Ob dachloser leistete Erste Hilfe.

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