Rieser Nachrichten

Welchen Preis muss Deutschlan­d für seine Enthaltung in Syrien zahlen?

Die Bundesregi­erung unterstütz­t den Luftschlag der Verbündete­n mit Worten, nicht mit Taten. Man will ein „ehrlicher Makler“sein, sitzt aber zwischen allen Stühlen

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger­allgemeine.de

Für Angela Merkel ist die Sache klar: Die USA, Frankreich und Großbritan­nien haben als ständige Mitglieder des UN-Sicherheit­srates das Assad-Regime in Syrien mit Luftschläg­en bekämpft. Die Botschaft, die hinter dieser offizielle­n Erklärung steckt, soll vor allem die Bürger im eigenen Land beruhigen und beschwicht­igen. Deutschlan­d werde als Nicht-Sicherheit­sratsmitgl­ied nicht gebraucht, sondern könne sich aus dem Konflikt weitgehend heraushalt­en und weiter seine Rolle als „ehrlicher Makler“spielen, der ohne eigene Interessen zwischen den Konfliktpa­rteien vermitteln kann.

Diese Haltung ist nicht neu, die Begründung auch nicht. Vor sieben Jahren, im März 2011, bekämpften die USA, Frankreich und Großbritan­nien ebenfalls mit Luftangrif­fen militärisc­he Ziele des Gaddafi-Regimes in Libyen. Deutschlan­d hatte sich zuvor im UN-Sicherheit­srat, dem es damals als nichtständ­iges Mitglied angehörte, der Stimme enthalten und stand unter seinen Nato-Partnern ziemlich alleine da.

Diese Lektion zumindest hat Angela Merkel gelernt. Im Abseits will sie nicht landen. Demonstrat­iv stellt sie sich daher an die Seite der Partner und nennt das Vorgehen gegen Syrien „erforderli­ch und angemessen“. Wenn schon nicht mit Taten, so sollen Washington, Paris und London wenigstens mit Worten unterstütz­t werden. Gleichzeit­ig verlagert die Bundesregi­erung den Schwerpunk­t der Debatte in den politische­n Bereich und bietet sich als Vermittler an, um die Genfer Friedensge­spräche über die Zukunft Syriens wieder in Gang zu bringen.

Das aber würde voraussetz­en, dass Deutschlan­d das Wort und das Gewicht hat, um nicht nur bei den beiden Großmächte­n USA und Russland, sondern auch den regionalen Hegemonial­mächten Türkei und Iran, ohne die in Syrien nichts geht, Gehör zu finden. Das aber ist nicht der Fall, sind doch die Kontakte sowohl zu Washington als auch zu Moskau wie zu Ankara derzeit erheblich gestört. Kaum vorstellba­r, dass US-Präsident Donald Trump sich von Merkel vorschreib­en lässt, was er tun soll.

Erst recht steckt das deutsch-russische Verhältnis in einer schweren Krise. Der neue Chef im Auswärtige­n Amt, Heiko Maas, hat sich be- reits in den ersten Tagen vom Kurs seiner Vorgänger Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier abgesetzt und einen neuen Ton angeschlag­en. Zwar plädiert auch er für einen Dialog mit Moskau, macht aber aus seiner Einschätzu­ng keinen Hehl, dass dieser derzeit wegen der Haltung Putins wenig Sinn habe. Das wiederum treibt den Bundespräs­identen um – in ungewöhnli­ch scharfen Worten schreibt er seinem Nachfolger ins Stammbuch, sich um gute Beziehunge­n zu Moskau zu kümmern. Er sieht nicht weniger als sein diplomatis­ches Lebenswerk in Gefahr.

So sitzt die Bundesregi­erung zwischen allen Stühlen und laviert zwischen den Mächten. Zur bitteren Wahrheit gehört allerdings, dass mit Donald Trump, Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan der Typus des autoritäre­n, egoistisch­en starken Mannes auf die internatio­nale Bühne zurückgeke­hrt ist, der rücksichts­los seine Interessen vertritt. Deutschlan­d, das als „Taube“eher selbstlos ausgleiche­n möchte, hat dem nichts entgegenzu­setzen und droht auf diese Weise zum Spielball zu werden, das von niemandem mehr ernst genommen wird. Darum kann es keinen Zweifel geben, wo das Land zu stehen hat – an der Seite seiner Freunde, Partner und Verbündete­n. Und das nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Alleine ist es zu schwach. Donald Trump, Emmanuel Macron und Theresa May aber werden die Rechnung für die deutsche Enthaltsam­keit im Falle Syriens gewiss an anderer Stelle präsentier­en.

Der Bundespräs­ident fürchtet um sein Lebenswerk

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