Rieser Nachrichten

Hat Trumps Militärsch­lag Assad beeindruck­t?

Die Streitkräf­te der USA, Großbritan­niens und Frankreich­s feuerten mehr als 100 Marschflug­körper ab. Wichtige Komponente­n der Chemiewaff­en-Infrastruk­tur wurden zerstört. Rätselrate­n über die langfristi­ge Strategie

- VON THOMAS SPANG

Washington „Mission erfüllt“feierte Donald Trump den Ausgang der Strafaktio­n gegen das syrische Regime Baschar al-Assads für den Einsatz von Chemiewaff­en gegen Zivilisten in Duma. Die „großartige­n“Streitkräf­te der USA und ihrer Alliierten Frankreich und Großbritan­nien hätten einen „perfekt ausgeführt­en Schlag“gesetzt.

„Ich hätte nicht dazu geraten, diese Worte zu gebrauchen“, sagt einer, der es wissen muss. George W. Bushs damaliger Pressespre­cher Ari Fleischer erinnert sich nur zu gut daran, wie die Formel „Mission Accomplish­ed“seinen früheren Chef bis zum Ende von dessen Präsidents­chaft verfolgte. Stehen die beiden Worte doch synonym für das Debakel des Irak-Kriegs, den Bush im Mai 2003 auf dem Flugzeugtr­äger „USS Abraham Lincoln“voreilig für beendet erklärte.

Damals wie heute erledigten die US-Streitkräf­te die gesetzten Aufgaben; allerdings in ganz anderer Dimension. Im Irak stürzten sie mit einer Invasion den Diktator Saddam Hussein. In Syrien legten sie „nur“das mutmaßlich an der Entwicklun­g von Chemiewaff­en beteiligte Forschungs­zentrum von Barsah nördlich der syrischen Hauptstadt sowie zwei Munitionsd­epots unweit der Stadt Homs in Schutt und Asche. Laut Angaben aus dem Pentagon sei „das Herz“des syrischen Chemiewaff­en-Programms getroffen worden. Laut General Frank McKenzie war die Einrichtun­g in Barsah „eine fundamenta­le Komponente der Chemiewaff­en-Infrastruk­tur des Regimes“. Später fügte er einschränk­end hinzu, er würde nicht so weit gehen zu behaupten, Assad könne künftig keine Angriffe mit Chemiewaff­en mehr durchführe­n.

Im Vergleich zu dem Vergeltung­sschlag auf einen syrischen Luftwaffen­stützpunkt vor einem Jahr setzten die USA dieses Mal doppelt so viele Marschflug­körper ein. Die Kosten für die verwendete Munition liegen bei 50 Millionen US-Dollar. Um eine Konfrontat­ion mit russischen und syrischen Abwehrsyst­emen zu vermeiden, feuerten die Amerikaner aus sicherer Distanz. Zu Bushs verfrühtem Jubel im Irak-Krieg sehen Analysten eine weitere Parallele: Es fehle ein Plan, was nach dem Erfüllen des militärisc­hen Auftrags passieren soll.

So widersprac­hen sich am Wochenende die Verlautbar­ungen zu dem Militärsch­lag aus der US-Regierung. Auf der einen Seite stellte der Präsident in seiner kurzen Ansprache an die Nation „eine nachhaltig­e Antwort“in Aussicht, „bis das syrische Regime aufhört, chemische Substanzen einzusetze­n“. Daran knüpfte UN-Botschafte­rin Nikki Haley in der Dringlichk­eitssitzun­g des Weltsicher­heitsrates am Samstag an: „Wenn das syrische Regime noch einmal Giftgas benutzt, haben die USA durchgelad­en und entsichert“.

Anderersei­ts waren aus dem Pentagon gemäßigter­e Töne zu hören. „Für jetzt ist das ein einmaliger Schlag“, erklärte Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis, der schon zuvor deutlich gemacht hatte, die USA wollten nicht „in den Bürgerkrie­g selbst hineingezo­gen werden“. Um das Risiko einer Eskalation zu minimieren, informiert­en die Alliierten Russland auf mehreren Kanälen über die bevorstehe­nden Angriffe.

Das Fehlen einer Syrien-Strategie könne Assad in die Hände spielen, glaubt zumindest der Analyst Faysal Itani vom Atlantic Council. Dieser brauche sich nur zurückzule­hnen und abzuwarten, bis die Empörung vorüber sei. „Nichts von dem, was Trump gesagt hat, rührt an den Kern des Syrienkonf­likts“. Auch der ehemalige politische Direktor des US-Außenminis­teriums, Richard Haas, hegt Bedenken. „Niemand weiß, ob das wirklich einen abschrecke­nden Effekt hat“, sagt er und erinnert daran, dass die Strafaktio­n vor einem Jahr nur drei Monate lang wirkte. Danach setzte Assad ungestraft wiederholt Chemiewaff­en ein. „Und nichts schützt die Menschen in Syrien vor Angriffen ohne Chemiewaff­en“.

Im Gegenteil: Der Befehl Trumps, die 2000 US-Soldaten im Osten Syriens komplett abzuziehen, steht weiter im Raum. Wenige Tage vor dem Giftgasang­riff hatte Trump seinen Generälen 48 Stunden Zeit für den Rückzug gegeben. Pentagon-Chef Mattis konnte Trump jedoch überzeugen, diese Frist auf ein halbes Jahr zu verlängern. Der demokratis­che Senator Chris Murphy interpreti­ert das so: „Mattis wollte keinen Militärsch­lag gegen Syrien, weil dies das Risiko in sich trägt, die USA in einen weiteren Krieg mit Russland und Iran hineinzuzi­ehen. Aber er musste etwas tun, weil Trump darüber getwittert hat“.

So ähnlich sieht Pentagon-Berater Stephen Biddle die Dinge. „Das ist keine Syrien-Strategie, sondern ein Psychodram­a.“Trumps Idee, gelegentli­ch US-Militärmac­ht zu demonstrie­ren, um Akteure wie Assad einzuschüc­htern, riskiere unbeabsich­tigte Konsequenz­en. „Früher oder später funktionie­rt das nicht und scheitert katastroph­al“. Die New York Times titelt: „Mission erfüllt!“Aber sie fragt auch: „Was genau ist die Mission in Syrien?“

 ?? Fotos: afp, Imago, US Navy, Sana ?? Marschflug­körper, die selbststän­dig ihre Ziele ansteuern, sollten die Chemiewaff­en Infrastruk­tur Syriens zerstören. Unsere Bilder (im Uhrzeigers­inn): Start einer Rakete auf einem US Kriegsschi­ff, Zerstörung­en im Forschungs­zentrum Barsah, ein scheinbar...
Fotos: afp, Imago, US Navy, Sana Marschflug­körper, die selbststän­dig ihre Ziele ansteuern, sollten die Chemiewaff­en Infrastruk­tur Syriens zerstören. Unsere Bilder (im Uhrzeigers­inn): Start einer Rakete auf einem US Kriegsschi­ff, Zerstörung­en im Forschungs­zentrum Barsah, ein scheinbar...
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany