Leidenschaft gibt den Weg vor
Bundesligist FSV Mainz 05 setzt im Abstiegskampf auf einen ungewöhnlichen Trainer
Der neue Mainzer Trainer Martin Schmidt ist ein verrückter Vogel, der schon viel erlebt hat. Im Abstiegskampf der FußballBundesliga erhoffen sich die Rheinhessen vor allem viel mehr Emotionalität von ihm.
Mainz. Er schraubte an Rennwagen, macht(e) in Kleidung und stürzte von Gletschern: Mit seinen langen Haaren und dem Stoppelbart könnte er in jeder Mainzer Karnevalsband am Schlagzeug sitzen. Erfolgreicher Fußball-Profi war er nie. Nein, auf den ersten Blick hat Martin Schmidt gar nichts von einem Fußball-Lehrer, der künftig in der Fußball-Bundesliga für Furore sorgen soll. Diese „Lebensabschnitte“, sagt der 47-Jährige bei seiner Vorstellung beim kriselnden FSV Mainz 05, da hatte alles irgendwie „mit Leidenschaft zu tun“. Genau die war beim Tabellen-14. in den vergangenen Wochen unter Kasper Hjulmand so schmerzlich vermisst worden. „Von der Leidenschaft versuche ich jetzt, jeden Tag den Spielern zu erzählen“, sagt der Schweizer: „Bei der U 23 war es einfach, die haben alles geglaubt – jetzt wird es vielleicht ein bisschen schwieriger. Aber ich habe immer Argumente, auch aus dem Berufsleben. Ich bekomme das – glaube ich – gut hin, diese Leidenschaften, die mich das ganze Leben begleitet haben, immer auf das Wesentliche zu konzentrieren.“In den kommenden Wochen heißt das: Abstiegskampf.
Dafür wurde Schmidt von Manager Christian Heidel befördert, aber ausdrücklich nicht als Interimslösung. Der Paradiesvogel aus der Schweiz
Martin Schmidt ist der neue Cheftrainer des FSV Mainz 05 – und er will den Profis direkt einen Grundsatz einimpfen: Erfolg dank Leidenschaft. Das ist sein Motto.
soll beim „Karnevalsverein“bestenfalls das Erbe von Jürgen Klopp und Thomas Tuchel weiterführen, und das langfristig. Heidel hätte derzeit keinen Besseren finden können.
„Ich wohne seit fünf Jahren in der Altstadt, bin in Kneipen, lese Zeitung und bin jeden Morgen irgendwo unterwegs“, sagt Schmidt: „Ich habe Mainz aufgesogen und versuche das auch jeden Tag im Stadion und im Umfeld zu leben.“Halbe Sachen gibt’s bei Schmidt nicht.
Zehn Jahre arbeitete er als Automechaniker, auch bei Rennen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM). Er gründete eine Bekleidungsfirma in der Heimat, dort ist Schmidt immer noch stiller Geschäftsführer. Außerdem ist er Bergführer und Extremskifahrer. Es sei „ein spezieller Weg“, der ihn nach Mainz geführt habe, sagt der neue FSV-Trainer: „Aber kein schlechter.“
„Die Zügel loslassen“„Wie oft habe ich Geschäftsleute von irgendwas überzeugt, was die vorher gar nicht wollten. Aber ich habe es ihnen verkauft“, sagt Schmidt: „Ich habe plötzlich gemerkt, dass ich im Berufsleben so rede wie ein Trainer – und im Training wie ein Geschäftsführer.“Irgendwann mit „33, 34 war es wie ein Schnitt – ich wollte FußballTrainer werden“, sagt er.
Zumindest „nebenher“hatte Schmidt immer Fußball gespielt, aber nur bis in die zweithöchste Liga der Eidgenossen. „Nicht schlimm“, meint er. Auch, weil er sich „nebenher siebenfach die Kreuzbänder gerissen, die Halswirbel und Beine gebrochen“hat.
Als Trainer (ein „sehr lauter“) will Schmidt Leidenschaft und Feuer reinbringen, endlich die „Zügel loslassen“. Er selbst ist dabei gerne der „Motor“, sagt er: „Aber ich weiß, was ich rundherum alles brauche: Getriebe, Antriebswelle, Reifen, die die PS auf den Platz bringen und ein rotes, schönes Chassis, das glänzt.“In Mainz wird alles dringend gebraucht.