Träume, Feiern und Randale
Neu im Kino: „Als wir träumten“von Andreas Dresen – Frischer Blick auf gesellschaftlichen Umbruch im Osten
Die Zeit nach der Wende wurde im deutschen Film bisher meistens in Form düsterer Stasi-Storys und deprimierender Sozialdramen aufgearbeitet. Einen ganz anderen Zugang zu dieser Ära des rasanten gesellschaftlichen Wandels hat Clemens Meyer mit seinem 2006 erschienenen Debütroman „Als wir träumten“gefunden, der nun von Andreas Dresen auf die Leinwand gebracht wird.
Die frühen Neunziger im wilden Osten werden hier aus der Perspektive einer Gruppe von Jugendlichen geschildert, für die der Untergang des alten DDR- Ordnungssystems vor allem neue Freiräume eröffnet. Während die Eltern mit der Reorganisierung des eigenen Lebens beschäftigt sind, leben Dani (Merlin Rose), Rico (Julius Nitschkoff), Mark (Joel Basman), Pitbull (Marcel Heuperman) und Paul (Frederik Haselon) die Rebellion der Pubertät in vollen Zügen aus. Leipzig ist ihr El Dorado, in dem sie träumen, feiern, randalieren und alten Omas gegen ein unfreiwilliges Entgeld Gesellschaft leisten. In einer leerstehenden Fabrik eröffnen sie ei- nen illegalen Club, der zum beliebten Techno-Treff wird.
Das bekommen auch die Glatzen mit, mit denen sich Dani und seine Freunde re- gelmäßig prügeln – weniger aufgrund expliziter, politischer Differenzen, sondern eher aus dem festen Gefühl heraus, sich nichts mehr vor- Leipzig ist ihr El Dorado, da geht die Post ab: Merlin Rose als Dani und Ruby O. Fee als Sternchen. schreiben zu lassen. Aber die rechten Deppen wollen ihren Anteil am lukrativen Club- Geschäft und Drogenverkauf. Der neue Kapitalismus erobert auch die subkulturellen Freiräume.
Mit „Als wir träumten“lässt sich Andreas Dresen voll und ganz auf die Jugendperspektive der Romanvorlage ein. Ohne sozialpädagogische Betüdelung wird hier das raue, nicht-konformistische Leben der wilden Kerle ins Visier genommen. Die rebellische Energie überträgt sich bruchlos auf die Leinwand. Dabei werden hier, wie schon im Roman, filmhistorische Verweise auf das Genrekino vom Mafia-Epos bis zum Boxerfilm gleich mitverhandelt. Es ist der mit Abstand wildeste Film Dresens, der mit diesem atmosphärisch stimmigen Jugenddrama auch filmästhetisch neue Wege geht und einen ganz frischen Blick auf den gesellschaftlichen Umbruch im Ostdeutschland der frühen 90er-Jahre wirft. D 2015, 117 Min., Camnera Zwo (Sb); Regie: Andreas Dresen Buch: Wolfgang Kohlhaase, Clemens Meyer; Kamera: Michael Hammon; Darsteller: Merlin Rose, Julius Nitschkoff, Joel Basman.