Saarbruecker Zeitung

Pfleger mit der Todessprit­ze muss lebenslang in Haft

Pfleger wegen zweifachen Mordes zu lebenslang­er Haft verurteilt – „Die Wut ist da“

- Von dpa-Mitarbeite­rin Irena Güttel

Der Pfleger Niels H. spritzte Patienten zu Tode, dafür muss er jetzt lebenslang in Haft. Die Familien der Opfer haben endlich Gewissheit – doch viele Angehörige müssen weiter bangen: Ist Niels H. ein Serienmörd­er?

Oldenburg. Kathrin Lohmann hat endlich Gewissheit. Der Mörder ihrer Mutter kommt für sehr lange Zeit hinter Gitter. Sie weiß jetzt, warum die 61-Jährige in jener Nacht im Frühjahr 2003 so plötzlich im Klinikum im niedersäch­sischen Delmenhors­t starb. Der Pfleger Niels H. spritzte ihr eine Überdosis eines Herzmedika­ments. Sein Ziel: Er wollte den Kollegen beweisen, wie gut er Patienten wiederbele­ben kann. Nur dass es bei Lohmanns Mutter eben nicht ge- lang – und damit könnte sie nur ein Opfer unter vielen sein.

Wegen dieser und vier ähnlicher Taten hat das Landgerich­t Oldenburg den 38-Jährigen gestern zu lebenslang­er Haft verurteilt. Ohne Kathrin Lohmann hätte es den Prozess wohl nie gegeben, das unfassbare Ausmaß des Falls wäre wohl nicht ans Licht gekommen. Denn der frühere Krankenpfl­eger gesteht vor Gericht erstmals, für den Tod von bis zu 30 Patienten verantwort­lich zu sein. Und es könnten weitere dazukommen: Die Polizei geht über 200 Verdachtsf­ällen nach.

Seit September sitzt Kathrin Lohmann dem Angeklagte­n an jedem Verhandlun­gstag gegenüber, die meiste Zeit blickt sie ihn unverwandt an. Dabei wirkt sie ganz ruhig, doch innerlich ringt die 37-Jährige um Fassung: „Die Wut ist schon da.“Sie selbst ist Altenpfleg­erin und

Der ehemalige Krankenpfl­eger Niels H. vor Gericht.

fast so alt wie Niels H. Jahrelang quält sie die Frage, wieso ihre Mutter sterben musste. Im Prozess bekommt sie endlich eine Antwort, auch wenn diese schwer erträglich ist.

Niels H. spielt mit dem Leben von Patienten, weil er den Kick sucht, weil er Anerkennun­g haben will – wie der Vorsitzend­e Richter Sebastian Bührmann erklärt. „Sie haben Menschen zu Objekten degradiert.“Den starken Retter bei einer Reanimatio­n zu markieren, verschafft Niels H. ein Hochgefühl, wie er selbst vor Gericht erzählt hat. Doch irgendwann ist wieder diese Leere da, und er sucht sich ein neues Opfer. Er wird immer unvorsicht­iger. Doch es dauert mehr als zwei Jahre, bis eine Kollegin ihn auf frischer Tat ertappt. Warnzeiche­n gab es aber schon vorher.

Im Gericht berichten ehemalige Kollegen, dass es auffällig oft zu Wiederbele­bungen während der Schicht von Niels H. kommt, dass es viele Gerüchte über ihn gibt. „Wie viele Jahre hatten Leute Ihnen gegenüber ein schlechtes Gefühl – und wie viele Jahre passierte nichts?“, wendet sich Bührmann an Niels H. Er sei betroffen, wie viele Chancen vertan worden seien, den Pfleger zu stoppen. So konnte er immer weiter töten – wahrschein­lich in Serie.

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FOTO: DPA

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