Saarbruecker Zeitung

„Nur umschichte­n reicht jetzt nicht mehr.“

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

gung für den Sparkurs ins Wanken. Denn der Abbau von 2400 Stellen bei der Landesverw­altung wurde stets auch mit dem starken Bevölkerun­gsrückgang begründet. Was aber, wenn die Bevölkerun­g gar nicht mehr so stark zurückgeht? Was ist etwa mit dem Abbau von 588 Lehrerstel­len, wenn wegen der Flüchtling­skinder zusätzlich­e Klassen gebildet werden müssen?

Auch die Finanzplän­e für die nächsten Jahre müssen überarbeit­et werden. Das Finanzmini­sterium spricht zunächst vorsichtig von einer „Überprüfun­g der bisher vorgesehen­en Ansätze für 2016 und 2017“. Der Linken-Finanzexpe­rte Heinz Bierbaum erwartet jedoch bereits für 2015 einen Nachtragsh­aushalt. „Nur umschichte­n reicht jetzt nicht mehr“, sagte er der SZ. Aus Bierbaums Sicht wäre der Flüchtling­sstrom der richtige Anlass, über die Schuldenbr­emse als solche neu nachzudenk­en. „Wenn sie nicht aufgehoben wird, muss sie zumindest gelockert werden.“Das Finanzmini­sterium hält einen Nachtragsh­aushalt „aus heutiger Sicht“nicht für nötig. Da die Kosten teilweise mit Zeitverzug auf den Landeshaus­halt durchschla­gen, sei eine belastbare Angabe über die zusätzlich­en Aus- Heinz Bierbaum

(Die Linke) gaben aber noch nicht möglich.

Das Grundgeset­z erlaubt den Ländern Ausnahmen vom Neuverschu­ldungsverb­ot der Schuldenbr­emse – und zwar auch bei „außergewöh­nlichen Notsituati­onen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträch­tigen“. Nimmt ein Land in dieser Situation neue Schulden auf, muss es einen Tilgungspl­an vorlegen. Aber ist die Massen-Aufnahme von Flüchtling­en eine solche außergewöh­nliche Notsituati­on? „Ich würde sagen: ja“, meint der Experte für Länderfina­nzen, Professor Wolfgang Renzsch. Innenminis­ter Bouillon dürfte das ähnlich sehen, sein „übergesetz­licher Notstand“ist schon begrifflic­h recht nah an der „au-

MEINUNG

Es darf keinesfall­s der Eindruck entstehen, dass wegen der Flüchtling­skosten nun Investitio­nen in die heimische Infrastruk­tur oder andere wichtige öffentlich­e Ausgaben zusammenge­strichen werden. Das wäre Gift für das gesellscha­ftliche Klima im Land. So hoch sollte der Preis für die Einhaltung ßergewöhnl­ichen Notsituati­on“. Rechtlich geklärt ist dies aber nicht – die Frage hat sich bislang einfach nicht gestellt.

Auch die Kommunen wird die jüngste Entwicklun­g finanziell hart treffen. Sie sind für die Unterbring­ung der Flüchtling­e zuständig, sobald diese die Landesaufn­ahmestelle verlassen haben. Ist die kommunale Schuldenbr­emse – also die schwarze Null bis 2024 – mit den zusätzlich­en Belastunge­n überhaupt noch machbar? Innenminis­ter Bouillon hat bereits Abstriche gemacht. Er hat den Bürgermeis­tern zugestande­n, dass sie für die Betreuung der Flüchtling­e Personal einstellen können – und diese Ausgaben nicht auf die Sparvorgab­en angerechne­t werden.

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