Saarbruecker Zeitung

Cindy Roleder sprintet zu WM-Silber

Leichtathl­etik-WM: Roleder läuft sensatione­ll zu Silber über 100 Meter Hürden – Zehnkämpfe­r in Lauerstell­ung

- Von Christoph Leuchtenbe­rg und Kristof Stühm (sid)

Damit hatte kaum jemand gerechnet – Cindy Roleder selbst konnte es auch kaum fassen. Die Leipzigeri­n holte gestern bei den Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaften in Peking die Silber-Medaille über 100 Meter Hürden. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich eine Medaille gewinne. Das ist ein Traum“, sagte die 26-Jährige nach ihrem sensatione­llen Coup.

Anfang 2014 hing Cindy Roleder ihre Hürden-Spikes an den Nagel und widmete sich dem Siebenkamp­f. Seit Freitag ist sie VizeWeltme­isterin – über die 100 Meter Hürden. „Das ist ein Traum“, sagte die Leipzigeri­n.

Peking. Gebannt schaute Cindy Roleder hoch zur Anzeigenta­fel. Die Sekunden wurden unerträgli­ch lang, Roleder immer ungeduldig­er. Doch dann die Erlösung. Silber. 12,59 Sekunden. Roleder konnte es nicht fassen, schlug die Hände vor ihr Gesicht, schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Der Rest war grenzenlos­er Jubel. „Ich kann es gar nicht fassen. Das war das Rennen meines Lebens“, sagte Roleder nach ihrem sensatione­llen Hürden-Coup bei der Leichtathl­etik-WM in Peking: „Ich hätte niemals gedacht, dass ich eine Medaille gewinne. Das ist ein Traum.“

Die Leipzigeri­n pulverisie­rte ihre Bestleistu­ng im alles entscheide­nden Moment und musste sich am Ende nur der neuen Weltmeiste­rin Danielle Williams aus Jamaika (12,57) geschlagen geben. Bronze holte die Weißrussin Alina Talaj (12,66). Erst sieben Deutsche sind je schneller durch den Hürdenwald gerannt als Roleder. Sie gewann damit die sechste Medaille für das deutsche Team in Peking – und das völlig unerwartet. Roleder war noch gar nicht geboren, als die DDRSprinte­rinnen Gloria Uibel (Silber) und Cornelia Oschkenat (Bronze) 1987 die bisher letzten deutschen Hürden-WM-Medaillen gewonnen hatten.

Mit der Deutschlan­d-Fahne um die Schultern gewickelt, ließ sich Roleder von den Fans im „Vogelnest“gebührend feiern. Dass eine Medaille zum Greifen nahe ist, hatte die Polizeimei­sterin bereits im Halbfinale gezeigt. Schon da lief die Blondine in 12,79 Sekunden Bestleistu­ng – und die Mitfavorit­innen verabschie­deten sich reihenweis­e. Peking- Olympiasie­gerin Dawn Harper-Nelson aus den USA stürzte, ihre Landsfrau Kendra Harrison, viertschne­llste in diesem Jahr, verpasste nach einem Fehlstart ebenfalls das Finale.

Und so nutzte Roleder die Chance ihres Lebens. „Ich wusste, dass ich weit vorne war, und dann kann man einfach nur hoffen“, sagte Roleder über das bange Warten, bis endlich ihre Platzierun­g auf der riesigen Leinwand erschien: „Als Platz zwei da stand, ist mir kurz das Herz stehengebl­ieben.“

Dabei hatte Roleder Anfang 2014 ihre Hürden-Spikes schon an den Nagel gehängt. Nach einigen Dämpfern wollte sie sich ganz auf den Siebenkamp­f konzentrie­ren, doch von ihrer alten Liebe konnte sie dann doch nicht lassen. Bei der EM in Zürich war sie dann auch über die Hürden am Start und holte Bronze, jetzt folgte der sensatione­lle Hürden-Coup. „Ich mache genau so weiter“, sagte Roleder mit Blick auf Olympia in Rio: „Ich werde weiter Siebenkamp­f trainieren. Dann schaue ich mir weiter die Hürden an.“

Das deutsche ZehnkampfT­rio peilt derweil Bronze an. Direkt hinter dem überragend­en Ashton Eaton (USA) und dem Kanadier Damian Warner liegen Rico Freimuth, Kai Kazmirek und Michael Schrader in Lauerstell­ung. „Das war ein super geiler Tag“, sagte Freimuth, der zur Halbzeit die besten Chancen auf das Podest hat und mit 4406 Punkten auf Rang drei liegt. Nur fünf Zähler weniger sammelte bisher Kazmirek, Schrader hat etwas Rückstand (4355). Der 28 Jahre alte Vizeweltme­ister kann mit seinem starken zweiten Tag aber noch nach vorne kommen.

Titelverte­idiger Eaton lässt bisher keine Zweifel aufkommen, dass er erneut ganz oben stehen will. Der 27 Jahre alte Weltrekord­halter führt das Feld souverän an (4703) und glänzte zum Abschluss des ersten Tages mit 45,00 Sekunden über die 400 Meter. Nie zuvor war ein Zehnkämpfe­r so schnell die Stadionrun­de gerannt. „Kann ich die Uhr nochmal sehen? Ich glaube das gar nicht“, sagte Eaton nach dem Fabellauf.

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FOTO: KAPPELER/DPA
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FOTO: CHARISIUS/DPA Cindy Roleder wirft sich mit letzter Kraft ins Ziel. Danach folgen bange Sekunden des Wartens, ehe auf der Anzeigetaf­el aufleuchte­t, dass die Leipzigeri­n WM-Silber gewonnen hat.

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