Saarbruecker Zeitung

Meinung

Für das Handelsabk­ommen TTIP könnte der Zug abgefahren sein

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Barack Obama wird nicht verborgen geblieben sein, dass vor seiner Ankunft in Hannover zehntausen­de Menschen gegen TTIP demonstrie­rt haben. Die Abschiedst­our des US-Präsidente­n bekommt damit eine besondere deutsche Note: Zwar bedauert eine Mehrheit der Bundesbürg­er das Ende seiner Amtszeit. Das ändert aber nichts daran, dass das geplante Freihandel­sabkommen zwischen der EU und den USA den Blick vieler Menschen auf Obama verändert hat. Die Begeisteru­ng ist abgekühlt, längst nicht mehr uneingesch­ränkt vorhanden. Ein Umstand, mit dem sich auch die Kanzlerin beschäftig­en muss.

Denn der massive Protest gegen TTIP kann Angela Merkel nicht kalt lassen. Sie hat das Abkommen mit angestoßen, Merkel gehört zu den Fans des Freihandel­s. Von dem Vertrag soll die deutsche Exportwirt­schaft profitiere­n, er soll alte Arbeitsplä­tze sichern und neue entstehen lassen. Doch seit Monaten gibt es Kritik an TTIP selbst und an der undemokrat­ischen Art und Weise, wie das Abkommen verhandelt wird. Zu Recht. Doch Merkel hat dazu bislang weitgehend geschwiege­n. Das hat weder für mehr Akzeptanz gesorgt noch für mehr Vertrauen.

Und darum geht es ja – um Vertrauen. Zwar haben viele TTIP-Gegner durchaus andere Motive, etwa Kritik am Kapitalism­us, an Amerika oder grundsätzl­iche Angst vor der Globalisie­rung. Doch die meisten Menschen glauben inzwischen nicht mehr daran, dass TTIP ihnen Gutes bringen wird. Sie sind der Auffassung, dass wieder nur einige wenige von einem solchen Abkommen profitiere­n werden. Und der EU-Kommission trauen zahlreiche Bürger ohnehin nicht zu, ihre Belange bei der Sicherheit von Lebensmitt­eln oder bei Umweltstan­dards zu vertreten. Ob sie Recht haben oder nicht, ist inzwischen unerheblic­h. Der großen Verunsiche­rung ist kaum mehr mit guten Argumenten für TTIP beizukomme­n.

Daran tragen Merkel und Obama eine Mitschuld, weil sie es zugelassen haben, dass ein riesiges Informatio­ns-Desaster entstanden ist. Durch Geheimnisk­rämerei, durch Intranspar­enz bei den europäisch-amerikanis­chen Verhandlun­gen, durch viele Unklarheit­en bei den Vorgaben zum Schutz von Verbrauche­rn. Nicht zuletzt dadurch hat sich übrigens auch die Meinung in der Bevölkerun­g verfestigt, dass die US-Standards durchweg niedriger seien als die europäisch­en oder die deutschen. Was gar nicht stimmt.

Merkel und Obama wollen nun versuchen, möglichst noch vor dem Ende seiner Amtszeit die Verhandlun­gen zum Erfolg zu führen. Was – und vor allem wer – danach kommt in Washington, ist aus Sicht der Kanzlerin und der EU zu ungewiss. Wie jedoch der gigantisch­e Knoten gelöst werden könnte, ist unklar. Vielleicht gelingt es auch gar nicht mehr, weil die Abwehrhalt­ung in der Bevölkerun­g bereits zu massiv geworden ist.

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Von Hagen Strauß

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