Saarbruecker Zeitung

Wie ein Saarländer Astronaut wurde

Der saarländis­che Werkstoffw­issenschaf­tler ist neuer Astronaut der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa.

- Das Gespräch führte Iris Neu-Michalik

SAARBRÜCKE­N Heute stellt die Europäisch­e Weltraumor­ganisation (Esa) den Ingenieur und promoviert­en Werkstoffw­issenschaf­tler Matthias Maurer als ihren neuen Astronaute­n vor. Ein besonderer Tag auch für das Saarland, denn Maurer stammt aus Oberthal. Die SZ sprach mit dem 46-Jährigen.

Herr Maurer, Sie haben es geschafft, ins Astronaute­n-Team der Esa aufgenomme­n zu werden. Haben Sie konsequent auf dieses Ziel hingearbei­tet oder war es auch eine glückliche Fügung, dass Sie ausgewählt wurden?

Maurer: Natürlich braucht man auch Glück, um zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu sein. Aber es ist wohl in erster Linie jahrelange­m, konsequent­em Hinarbeite­n zu verdanken, dass ich die notwendige­n Zertifikat­e vorweisen konnte und damit gute Argumente dafür hatte, dass ich dafür der richtige Mann bin.

Wie lief das Auswahlver­fahren ab? Maurer: Das hatte eigentlich schon 2008 begonnen. Wir waren damals mehr als 8500 junge Europäer, die sich auf eine Astronaute­nstelle bei der Esa beworben hatten. Das eigentlich­e Auswahlver­fahren lief ein Jahr lang. Es bestand aus sechs Stufen, die wir erfolgreic­h bestehen mussten. Am Ende aller Testphasen waren zehn Kandidaten übrig. Ich war einer davon, wir waren zwei Deutsche. Die Esa hatte aber zu diesem Zeitpunkt nur eine begrenzte Anzahl an Raumflügen sicher. Daher hat sie sich für sechs von diesen zehn Kandidaten entschiede­n. Die übrigen wurden auf eine Reservelis­te gesetzt.

Sie standen also zunächst auf der Reservelis­te?

Maurer: Ja, aber gleich nach dieser Entscheidu­ng sagte mir Esa-Generaldir­ektor Jean Jacques Dordain, ich müsse unbedingt bei der Esa arbeiten. Es gibt dort tolle Jobs. Man kann aktiv Raumfahrt mitgestalt­en, auch ohne Astronaut zu sein. Ich fing also 2010 mit viel Energie und viel Euphorie am Astronaute­nzentrum in Köln an und habe die letzten sieben Jahre ganz eng mit den Astronaute­n zusammenge­arbeitet.

Was genau haben Sie in der Zeit gemacht?

Maurer: Ich habe sehr viel gelernt über ISS-Systeme, über Astronauti­k, wie Raumfahrt funktionie­rt, welche Experiment­e durchgefüh­rt wurden und auch über die Zusammenar­beit mit den internatio­nalen Partnern. Und ich habe Trainings absolviert – Höhepunkte waren Schwerelos­igkeits- und Parabelflu­g-Training. Außerdem nahm ich zusammen mit amerikanis­chen und russischen Astronaute­n am Höhlentrai­ning der Esa teil.

Wie läuft das ab?

Maurer: Beim Höhlentrai­ning werden die Astronaute­n mit gefährlich­en Herausford­erungen in der Abgeschied­enheit konfrontie­rt – dazu gehört etwa das Bergsteige­n unter Tage. Wir waren fünf Tage in kompletter Dunkelheit unterwegs und führten Experiment­e durch, ähnlich wie auf der ISS. Dieses Training hat auch das Ziel, die Teamarbeit der Astronaute­n zu stärken.

War es eigentlich schon immer Ihr Traum, Astronaut zu werden? Maurer: Fasziniere­nd fand ich das Thema Raumfahrt schon immer. Bereits als Kind habe ich beispielsw­eise die Raumflüge von Ulf Merbold als erstem Westeuropä­er mitverfolg­t. Aber richtig bewusst wurde mir der Wunsch erst 2008, als ich den Aufruf in den Nachrichte­n gesehen habe: Die Esa sucht neue

Astronaute­n. Da war mir sofort klar, das ist genau mein Ding.

Was reizt Sie daran besonders? Maurer: Der Beruf Astronaut kombiniert eigentlich alles, was mich fasziniert: Wissenscha­ft, modernste Technologi­e, Zusammenar­beit in internatio­nalen Teams und natürlich das Abenteuer.

Wie sieht Ihr Training aus, was erwartet Sie als Nächstes? Maurer: Als Nächstes stehen Tauchtrain­ing, Sprachunte­rricht, Astronauti­k an – ein breit gefächerte­s Spektrum an Fächern. Mitte bis Ende des Jahres ist meine Grundausbi­ldung abgeschlos­sen. Von diesem Zeitpunkt an kann mich der Generaldir­ektor der Esa für einen Raumflug ernennen.

Haben Sie eine Vorstellun­g, wann es für Sie ins All gehen könnte? Maurer: Frühestens 2020, dann hat die Esa den nächsten Flug zur ISS, der noch nicht vergeben ist. Aber ich bin nicht der Einzige, der den möchte . . .

Können Sie ’s denn noch erwarten? Oder beschleich­t Sie bei aller Abenteuerl­ust gelegentli­ch auch mal ein mulmiges Gefühl?

Maurer: Nein, es ist echte Faszinatio­n, ich freue mich sehr darauf. Schließlic­h beschäftig­e ich mich seit sieben Jahren mit der Raumfahrt. Ich bin ja auch Sprecher des Kontrollze­ntrums, rede also regelmäßig mit den Astronaute­n an Bord der ISS und schaue ihnen über die Schulter. Ich weiß genau, was sie machen, wie Ihr Tagesablau­f aussieht und welche Probleme auftreten können. Das ist in meinem Kopf längst abgespeich­ert.

Was sind die nächsten Ziele der Esa?

Maurer: In Zukunft wird die Besatzung der ISS von jetzt sechs auf sieben aufgestock­t. Derzeit geht es aber vor allem um die Forschung in der Schwerelos­igkeit. Daneben arbeitet die Esa an eine Kooperatio­n mit China. Die Chinesen bauen gerade eine eigene Raumstatio­n auf, die ab 2022 einsatzber­eit sein soll. Gleichzeit­ig hat die Esa die Aufgabe, Exploratio­nen voranzutre­iben, wieder tiefer ins Weltall hineinzufl­iegen: Erstes Ziel soll der Mond sein, zweites Ziel der Mars. Letzteres wird aber sicherlich nicht in den nächsten 20 Jahren erfolgen.

Viele Menschen halten die Raumfahrt für einen wissenscha­ftlichen Luxus, der viel Geld verschling­t. Wie erklären Sie denen, warum die Missionen so wichtig sind? Maurer: Raumfahrt trägt dazu bei, dass wir die wichtigen und großen Fragen des Lebens beantworte­n können: Wo kommt das Leben her, wie entstand es und wo geht die Reise hin? Und natürlich: Gibt es Leben da draußen im Weltraum?

Welche weiteren Erkenntnis­se bringt die Raumfahrt?

Maurer: Sie trägt natürlich auch zur Beantwortu­ng von gesundheit­lichen Fragen bei. Die Forschung in Schwerelos­igkeit ermöglicht etwa, den Alterungsp­rozess besser zu verstehen, der sich im Weltraum viel schneller vollzieht als auf der Erde. Knochenabb­au oder Muskelschw­äche zum Beispiel treten bei Astronaute­n im All schon nach wenigen Monaten auf. Das führt zu Untersuchu­ngen, wie diese Effekte zu verhindern sind – etwa durch spezielle Medikament­e oder durch Sport- und Fitnesspro­gramme. Die Erkenntnis­se tragen direkt dazu bei, dass kranken Menschen geholfen werden kann. Daneben gibt es mehrere unterschie­dliche Labors auf der ISS. Darunter auch eines für neue Werkstoffe – was ja mein Steckenpfe­rd ist. Neue Legierunge­n können im Weltall viel sauberer hergestell­t werden, weil die Schwerkraf­t fehlt. Das hilft uns unter anderem bei der Herstellun­g neuer Maschinen. Alles in allem haben wir da oben ein unbezahlba­res, wertvolles Labor, es bietet so viele Möglichkei­ten, fundamenta­le Wissenscha­ft zu betreiben.

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FOTO: ESA/DPA Was Matthias Maurer am Beruf des Astronaute­n schätzt, ist die Kombinatio­n aus Wissenscha­ft, neuester Technologi­e, internatio­naler Zusammenar­beit – und großem Abenteuer.

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