Saar-Wirtschaft fordert radikale Gebietsreform
Die Unternehmer fordern eine Radikal-Reform der Verwaltung im Saarland. Ihr Vorbild ist die Region Hannover. Der erhoffte Nutzen ist umstritten.
SAARBRÜCKEN (kir) Die führenden Unternehmensverbände im Saarland machen sich vor der Landtagswahl für eine Abkehr von der seit 1974 bestehenden kommunalen Verwaltungsstruktur stark. Die von ihnen getragene „Allianz für Reformen“fordert, die fünf Landkreise und den Regionalverband Saarbrücken zu einem Kommunalverband Saar zusammenzulegen. Hauptursache der Finanzprobleme sei nicht, dass das Saarland als Bundesland zu klein sei, teilte die Allianz mit. Problematisch sei vielmehr, dass sich das Land im Inneren zu viele kleinteilige Strukturen leiste, die nicht ausreichend wirtschaftlich seien.
Eine Kreisgebietsreform ist aus Sicht der Unternehmensverbände erfolgversprechender als eine Zusammenlegung von Städten und Gemeinden. Die Landkreise und die Gewerkschaft Verdi reagierten ablehnend auf den Vorstoß. Es gehe der Wirtschaft nur darum, noch mehr Stellen abzubauen, so Verdi.
SAARBRÜCKEN Das Saarland, so drückte sich Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) einmal aus, werde in fünf Jahren anders aussehen als heute. Sie führte das nicht näher aus, aber sie dürfte dabei auch an die Verwaltungsstrukturen im Land gedacht haben. Die saarländischen Unternehmensverbände finden, dass das Saarland in fünf Jahren so aussehen sollte wie die Region Hannover. Die hat ungefähr so viele Einwohner wie das Saarland und eine ähnlich große Fläche. Der wesentliche Unterschied ist: In Hannover reichen dafür ein Landkreis und 21 Kommunen, im Saarland gibt es fünf Landkreise, einen Regionalverband und 52 Kommunen. „Mehr Großes im Kleinen“wünschen sich die Unternehmer, die sich unlängst zu einer „Allianz für Reformen“zusammengeschlossen haben. Aus ihrer Sicht würde ein Kreis auch im Saarland reichen.
Die Hauptursache der finanziellen Probleme im Land sei nicht, dass das Saarland zu klein sei, finden die Unternehmensverbände. „Problematisch ist vielmehr, dass sich das Land im Inneren zu viele kleinteilige Strukturen leistet, die nicht ausreichend wirtschaftlich sind (zu viele, zu kleine Schwimmbäder, Mehrzweckhallen, Krankenhäuser, Sparkassen, Kreise, Gemeinden etc.).“Viele Probleme ließen sich in den bestehenden Strukturen nicht lösen. Unter den denkbaren Reformansätzen verspreche eine Kreisgebietsreform die größten Vorteile. Eine Zusammenlegung von Städten und Gemeinden erachtet die Allianz hingegen als politisch schwer durchsetzbar und zeitlich zu aufwendig. „Diese Zeit haben wir nicht mehr.“
Konkret würde diese Reform so aussehen, dass die fünf Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken zu einem Kommunalverband (KV) Saar fusionieren. Die Allianz hält durch die Zusammenlegungen der Verwaltungen Einsparungen von 30 Millionen Euro pro Jahr für möglich. „Erhebliche Effizienzgewinne“ließen sich nach Ansicht der Allianz, zweitens, dadurch erzielen, dass Aufgaben wie Standesämter, Personenstandsregister oder Kfz-Zulassungen auf den KV Saar übertragen werden, mit dezentralen Bürgerzentren. Drittens könnten Sozial- und Jugendhilfe
Allianz für Reformen
effizienter organisiert werden, mit landesweit einheitlichen Standards. Derzeit lägen die Ausgaben im Saarland in diesem Bereich pro Jahr 88 Millionen Euro über dem Schnitt der westdeutschen Flächenländer. Viertens könne der KV Saar landesweite Trägergesellschaften für Bäder, den öffentlichen Personennahverkehr oder Veranstaltungs- und Messehallen bilden. Einsparungen von 15 Millionen Euro im Jahr ließen sich laut Allianz, fünftens, dadurch erzielen, dass der KV Saar für die Schulen ein landesweites Investitions-und Gebäude-Management aufbaut. Für die freiwilligen Feuerwehren könne der Verband Fahrzeuge und technische Ausrüstung gemeinsam beschaffen.
Aufmerksam auf das Hannoveraner Modell wurden die Unternehmer erstmals, als der Magdeburger Politikwissenschaftler und Verwaltungsexperte Professor Wolfgang Renzsch am 28. Januar 2013 auf Einladung der IHK in Saarbrücken darüber referierte. Die Entstehung der Region Hannover im Jahr 2001 stelle „eine wesentliche Verschlankung der kommunalen Verwaltungsstruktur“dar, trug Renzsch damals vor. Dass das Saarland sehr viel kleinteiliger sei als die Region Hannover, so Renzsch, sei „ein Ergebnis politischen Gestaltungswillens“, sprich: Die Gebiets- und Verwaltungsstrukturen sind nicht gottgegeben, man kann sie auch ändern.
Die Bildung der Region habe sich bewährt, heißt es in der Verwaltungsspitze in Hannover. Ob sie zu mehr Effizienz geführt hat, lässt sich aber nicht feststellen. Eine wissenschaftliche Auswertung gab es nie. Daher wird auch niemand sagen können, ob die Region ihre positiven Finanzkennzahlen wegen oder trotz der Fusion hat: Von 2011 bis 2015 sanken die Schulden von einer Milliarde auf 724 Millionen Euro. Der Hebesatz der Umlage, mit der die Kommunen die Region finanzieren, liegt deutlich unter dem Durchschnitt der übrigen Landkreise in Niedersachsen.
Den Gewerkschaften graut es beim Gedanken an ein Ein-Landkreis-Bundesland. „Anstatt Menschen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wieder in die Beschäftigung zu bringen, geht es der Allianz unter dem Deckmantel des Wortes Reform ganz einfach wieder einmal darum, noch mehr Stellen abzubauen“, empörte sich der VerdiBezirksvorsitzende
Bernd Schumann
Bernd Schumann. Die Konsequenzen würden die Saarländer unverzüglich zu spüren bekommen, wenn das dichte Netz der Daseinsvorsorge so große Maschen bekomme, dass die Bürger nicht mehr aufgefangen würden.
Schumann gab zu bedenken, dass es durch eine Zusammenlegung keinen einzigen Sozialhilfeempfänger weniger geben werde. Das Argument, dass eine Fusion an den enormen Sozialkosten nichts ändert, führen auch die Landräte an. Die Landkreise werden bis Anfang 2018 von Wirtschaftsprüfern einem Ausgaben-Vergleich mit Kreisen außerhalb des Saarlandes unterzogen. „Sollte es zu Aussagen zur Personalreduzierung kommen, werden die Landkreise und der Regionalverband Saarbrücken diese Empfehlungen umsetzen“, heißt es bei den Landräten, „ganz ohne Gebietsreform und ohne den ganzen Aufwand, den eine solche Aktion auch finanziell nach sich ziehen würde.“
„Das Land leistet sich zu viele kleinteilige Strukturen, die nicht wirtschaftlich sind.“
Zusammenschluss von Unternehmensverbänden „Der Allianz geht es unter dem Deckmantel des Wortes Reform darum, mehr Stellen abzubauen.“
Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft Verdi