„Die CDU schickt ihre Bluthunde vor“
INTERVIEW KLAUS KOCKS
SAARBRÜCKEN Er ist einer der bekanntesten PR-Berater Deutschlands: Klaus Kocks (64). Als Kommunikationsexperte mag er es nicht, Dinge verkrampft rüberzubringen. So nennt er Schulz ein „mittleres Politiktalent“und Merkel „machtversessen“, aber intelligent – gerade weil sie den medialen Kampf mit dem SPD-Kandidaten ihren „Bluthunden“überlässt.
Schulz hier, Schulz da, Schulz überall. Die Republik redet derzeit nur noch über den einstigen Bürgermeister von Würselen. Und Kanzlerin Merkel geht irgendwie unter. Was ist los mit ihr?
KOCKS Frau Merkel versucht ihren Wahlsieg darüber zu sichern, dass sie nicht als Parteipolitikerin auftritt, nicht als Person Angela, sondern darüber, dass sie die Staatsfrau gibt. Sie versucht, als Kanzlerin durch den Sturm zu kommen.
Derzeit punktet in Umfragen aber nur der SPD-Kanzlerkandidat. KOCKS Herr Schulz tarnt sich als Underdog. Der er aber nicht ist. Er gehört zum europäischen Establishment. Aber er beherrscht eben Sozensprech. Also den Soziolekt der Sozialdemokratie. Frau Merkel hat dazu aber keine Gegenrolle, weil sie niemals den konservativen Soziolekt der Union konnte. Möglicherweise, weil sie schon immer einen sozialdemokratischen Hintergrund hatte. Sie versucht deshalb, einen anderen Weg zu gehen. Gegen den vermeintlichen Underdog Schulz positioniert sie sich als Allzeit-Kanzlerin. Fachlich nennt man das den gouvernementalen Effekt. So will sie auch den Niederungen der parteipolitischen Auseinandersetzungen entkommen.
Da stecken derzeit aber Wolfgang Schäuble und Co. mittendrin. KOCKS Die CDU fährt eine doppelte Taktik. Sie überlässt die Rolle der Fürstin Merkel und schickt für die schmutzige PR ihre Beiß- und Bluthunde vor. Die Partei hofft in dieser Doppel-Konstellation, also dem Präsidialen von Mutti und der Wadenbeißerei ihrer Parteischergen, ans Ziel zu kommen. Kann so etwas Erfolg haben? KOCKS Sie erkennen ja immer alle Laien daran, dass sie sichere Prognosen haben und Fachleute, dass sie verwirrt sind.
Und wo stehen Sie da?
KOCKS Ich bin ein verwirrter Fachmann. Weil ich nicht daran geglaubt habe, dass der Schulz-Effekt so gravierend hätte wirken können. Ich halte Herrn Schulz, den ich sehr gut kenne, für ein mittleres Talent, der Politik aus dem Bauch für den Bauch macht. Dass er einen solch grandiosen Erfolg hat, hängt auch damit zusammen, dass das Land merkelmüde ist. Merkel, die intelligent und sensibel ist – übrigens intelligenter und sensibler als Schulz –, versucht das jetzt mit ihrer neuen Rolle umzubiegen.
Heißt aber auch: Merkel ist für Sie sicher nicht amtsmüde.
KOCKS Nein. Frau Merkel ist extrem machtbewusst. Um nicht zu sagen: machtversessen. Auf ihrem Schreibtisch steht übrigens das Foto von Katharina der Großen. Und sie meint es so. Merkel sieht sich als Herrscherin und diese Rolle spielt sie auch bewusst gegen die wiedererstarkende SPD. Ob das gelingen wird, da bin ich unsicher. Auch Helmut Kohl war überrascht, als er plötzlich nicht mehr im Amt war.
Pascal Becher führte das Interview.