Saarbruecker Zeitung

Naturschüt­zer in der Zwickmühle

Der Windkraft-Ausbau kann für die Tierwelt negative Folgen haben. Was sagen Nabu und BUND? SZ-Serie, Teil 4

- VON KATJA SPONHOLZ

Die Naturschüt­zer im Saarland wissen um die Notwendigk­eit erneuerbar­er Energien wie der Windkraft. Trotzdem fürchten sie die negativen Folgen der großen Anlagen für die Tierwelt. Nächster Teil der SZ-Serie.

SAARBRÜCKE­N Für Thorsten Heinrich vom Landesverb­and Saarland des Naturschut­zbundes (Nabu) ist die Lösung des Dilemmas Windenergi­e klar: „Eigentlich würde es keine Konflikte mit dem Naturschut­z geben, wenn der Ausbau naturvertr­äglich stattfinde­n würde“, sagt der 36-Jährige. Eine der Ursachen für das Problem geht seiner Ansicht nach zurück ins Jahr 2011, als die vom Land festgelegt­en Vorranggeb­iete für Windenergi­e aufgehoben wurden. Den Kommunen wird es seitdem ermöglicht, auf ihrem Gebiet den Ausbau der Windenergi­e in eigener Verantwort­ung zu steuern.

„Eine Gemeinde ist damit praktisch gezwungen, Zonen auszuweise­n, weil sonst überall Windräder gebaut würden“, sagt der Referent für Verbandsbe­teiligunge­n beim Nabu Saarland. „Aber das führt mittelfris­tig im Saarland zu einer Art Kirchturmd­enken und dazu, dass die Kommunen eher wirtschaft­liche Aspekte bei der Belegung von Flächen bevorzugen.“Die Folge: „Es kommt zu einer Zerspargel­ung der Landschaft, und weil sich die Windenergi­e nicht auf bestimmte Flächen konzentrie­rt, gibt es für manche gefährdete­n Arten keinen Platz mehr.“Besonders betroffen: der Rotmilan, der Schwarzsto­rch und Fledermaus­arten (siehe Info). Der Rotmilan beispielsw­eise habe seine Nester zwar im Wald, aber seine Nahrungsha­bitate im Offenland. „Dort kann es dann passieren, dass er auf der Nahrungssu­che mit den Windrädern kollidiert“, so Heinrich.

Die erste Nabu-Forderung für das Saarland lautet, den Ausbau der Windenergi­e wieder landesweit zu planen. „Dort sollten Vorranggeb­iete festgesetz­t werden, damit es eine Konzentrat­ion auf Flächen gibt und nicht jede Kommune ihre drei, vier Windräder hat und es so im gesamten Saarland Konflikte mit Tierarten gibt“, so Heinrich. Darüber hinaus fordert der Nabu, dass Dichte-Zentren, in denen es Brutvorkom­men und eine erhöhte Aktivität von Rotmilanen und Fledermäus­en gibt, windkraftf­rei bleiben.

Doch bei allen negativen Auswirkung­en auf die Tierwelt lehnt der Nabu-Referent diese Art der regenerati­ven Energie nicht grundsätzl­ich ab: „Wir brauchen die Windkraft, und ich habe ihr gegenüber grundsätzl­ich auch kein negatives Gefühl“, so der Landschaft­sarchitekt. „Die Landschaft verändert sich halt, es ist eine Entwicklun­g, die wir tragen müssen.“Dem Wildwuchs jedoch müsse man Einhalt gebieten.

Christoph Hassel, Landesvors­itzender des Bundes für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND), räumt ein, dass auch in seiner Brust zwei Herzen schlagen. „Das eine ist das Naturschut­zHerz, und das andere ist das Klimaschut­z-Herz“, beschreibt er. „Ich gebe zu, dass es oft schwierig ist, sie zu vereinen. Aber ich bin der festen Überzeugun­g, dass beides zusammen funktionie­ren kann.“

Und zwar mit Ausschluss­gebieten von besonderen Brutbereic­hen und den vom BUND geforderte­n ökologisch­en Leitplanke­n. Windräder im Wald lehnt der BUND Saar jedenfalls nicht grundsätzl­ich ab. „Wenn wir den Ausbau der erneuerbar­en Energien aus Gründen des Klimaschut­zes ernst nehmen, werden wir nicht umhinkomme­n, die Windkraftn­utzung auch im saarländis­chen Wald zu tolerieren“, sagt Hassel. Ansonsten könne das Klimaschut­zziel der Landesregi­erung beim Ausbau der erneuerbar­en Energien nicht mehr erreicht werden. Die Leitplanke­n des BUND Saar sehen unter anderem vor, dass zum Beispiel in waldbestoc­kten Naturschut­zgebieten keine Windräder errichtet werden. Die Auswahl von Standorten für Anlagen sollte sich nach Möglichkei­t auf naturferne Waldbestän­de beschränke­n, ökologisch wertvolle alte Laubholzbe­stände seien auszuklamm­ern und erforderli­che Rodungsarb­eiten auf das absolut notwendige Maß zu beschränke­n.

Dauerhaft von der Windkraftn­utzung in Anspruch genommene Waldfläche­n für Fundamente oder Stellfläch­en sollten grundsätzl­ich eins zu eins an anderer Stelle wieder neu aufgeforst­et werden, so dass sich die Waldfläche insgesamt nicht verringere. Auch die Belange des Arten- und Naturschut­zes seien nicht nur bei Waldstando­rten zu beachten. Gleiches gelte für Schutzmaßn­ahmen für die Wildkatze, die Festlegung fledermaus­freundlich­er Abschaltze­iten, Abstandsem­pfehlungen zu windkrafts­ensiblen Vogelarten und die Bestellung einer ökologisch­en Baubegleit­ung. Gleichzeit­ig ruft der BUND Saar zu mehr Sachlichke­it bei diesem Thema auf. „Von den rund 94 000 Hektar Waldfläche im Saarland eignet sich nur ein geringer Anteil auch tatsächlic­h für die Windkraftn­utzung“, sagt Hassel. „Wer hier von einer Zerstörung des saarländis­chen Waldes spricht, macht sich in hohem Maße unglaubwür­dig.“

Nach Einschätzu­ng des BUND werden im Saarland diese ökologisch­en Leitplanke­n sowohl bei der Ermittlung der Flächenkul­isse für die Windkraftn­utzung als auch in den Genehmigun­gsverfahre­n nach dem Bundes-Immissions­schutzgese­tz „in hohem Maße beachtet und umgesetzt“. Bevor ein Windpark genehmigt werde, müsse dieser einen aufwendige­n Genehmigun­gsprozess durchlaufe­n. Natürlich werde sich das Landschaft­sbild verändert, räumt der BUNDVorsit­zende ein. „Für mich ist aber ganz wichtig und meine Motivation, mich dafür einzusetze­n, dass wir Verantwort­ung übernehmen müssen, woher unsere Energie kommt. Und da finde ich es nicht gerecht, die Probleme, die beispielsw­eise durch die Kohleförde­rung entstehen, in andere Länder zu transporti­eren.“

„Das eine ist das Naturschut­z-Herz, und das andere ist das Klimaschut­z-Herz.“

BUND-Landeschef Christoph Hassel über die zwei Herzen, die beim Thema

Windkraft in seiner Brust schlagen

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FOTO:DPA/PLEUL Windräder können für Fledermäus­e zur Todesfalle werden. Auch Rotmilane und Schwarzstö­rche können betroffen sein.

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