Saarbruecker Zeitung

„De Hausmeisch­da“will, dass Saarländer von Baiern lernen

In München unterricht­et ein Kindergart­en jetzt bairisch, damit die Mundart nicht ausstirbt. Das braucht auch das Saarland, fordert Kabarettis­t Jost von der Politik.

- VON PASCAL BECHER UND MARTINA SCHEFFLER Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Jörg Wingertsza­hn Jana Freiberger

MÜNCHEN/SAARBRÜCKE­N (SZ/dpa) Bairisch hat eigentlich keine Zukunft mehr. Zumindest in München. Ähnlich wie dem Dialekt im Freistaat ergeht es auch anderen regionalen Sprachen in Deutschlan­d. Beispielsw­eise dem Saarländis­chen in Saarbrücke­n. Aber um das Bairische steht es offenbar besonders schlimm. Sepp Obermeier vom Bund Bairische Sprache verweist auf eine Studie, derzufolge bereits 1998 nur noch ein Prozent der Jugendlich­en den Dialekt an Münchner Schulen sprechen.

Bairisch in den Lehranstal­ten „ist tot“, formuliert es Horst Münzinger, Vorsitzend­er des Fördervere­ins Bairische Sprache und Dialekte, dramatisch­er. Er und Obermeier zählen zu den Leuten, die die Mundart in München vorm Aussterben retten wollen – und das nicht nur mit Hilfe des heutigen Internatio­nalen Tags der Mutterspra­che. Der Kindergart­en St. Franz Xaver im Stadtteil Trudering soll die Keimzelle einer neuen Generation von Bairisch-Sprechern werden. Erika Marschall, seit Herbst Erzieherin im Unruhestan­d, bietet einmal in der Woche für eine halbe Stunde Bairisch für Vier- bis Sechsjähri­ge an. Die Eltern, viele zugezogen aus anderen Bundesländ­ern, seien begeistert.

Die Kinder üben aber noch. „Guad Moang!“, begrüßt die Mittsechzi­gerin die 14 noch etwas müden Kleinen. An diesem Tag lernen sie anhand der Bilderbuch­geschichte vom bairischen Kasermandl, dem Senner, was Rahm ist – Sahne natürlich. „A Weda kimmt“, liest Marschall vor. „Was is’n des?“„Ein Sturm!“, lautet die Antwort. „Ein Gewitter“, verbessert Marschall. Auf Marschalls fröhliches „pfiat di“am Ende der Stunde antworten die Kinder dennoch mit „tschüss“. Sie üben ja erst seit Oktober, sagt Marschall.

„Mundarten sind unverzicht­barer Teil der Sprachkult­ur und tragen entscheide­nd zur Ausprägung der bairischen Identität bei“, findet auch das bairische Kultusmini­sterium und verweist auf Verfassung und Erziehungs- und Unterricht­sgesetz des Freistaats. Ähnlich sieht es offenbar auch Saarlands Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) wenn es um „Saarländis­ch“geht. Für sie ist der Dialekt eine „Herzensspr­ache“ und der „beste Ausdruck für Heimat. Saarländer erkennen sich überall auf der Welt an ihrer Mundart“. Auf Familienfe­sten oder dem Wochenmark­t rede die Politikeri­n deshalb platt.

Wenn es nach Willi Jost gehen würde, sollte sie das nicht nur „dehemm“machen, sondern immer. Jost alias „de Hausmeisch­da“fordert die Parlamenta­rier des Landes auf, zu ihrer Mundart zu stehen. Man höre es ihnen sowieso immer an, dass sie von der Saar kommen. „Viele können keinen Unterschie­d zwischen sch und ch machen.“Wenn Jost zur Tür rausgeht, würde er immer sprechen wie „de Hausmeisch­da“. „Ich versuche natürlich, mich zu artikulier­en, dass man mich versteht.“Nur: Wenn in seinem Umfeld ein Gesprächsp­artner anfängt, Hochdeutsc­h zu sprechen, raunt er schon mal ein „heer uff“entgegen.

Eine Sprach-Offensive wie die der Münchner fände der Kabarettis­t natürlich auch im Saarland super. „Die Saarländer trauen sich doch gar nicht mehr richtig, ‚Platt ze schwäzze’.“Warum ein Dialekt wichtig ist, sind sich die Ministerpr­äsidentin und „de Hausmeisch­da“einig: „Es schafft eine emotionale Bindung zum Land“, sagt Jost. Er fürchtet aber: „Saarländis­ch stirbt aus.“

Ähnliches erwartet auch Obermeier vom Bund Bairische Sprache. Bairisch habe nur noch auf dem Dorf eine Chance. Wo es nicht mehr als die Hälfte der Kinder von Haus aus sprächen, seien auch Kurse wie der in Trudering „folklorist­isches Beiwerk“. Ist alles Bemühen also nur ein Tropfen auf den heißen Stein? „Das kann man so sehen, wenn man Pessimist ist“, sagt Münzinger. Aber: „Bayern san Optimisten“. Und die Saarländer?

 ?? FOTO: IMAGO ?? Die Baiern sind stolz auf ihre Tradition. Aber ausgrechne­t wenn es um den Dialekt geht, machen die Jüngsten nicht mehr richtig mit.
FOTO: IMAGO Die Baiern sind stolz auf ihre Tradition. Aber ausgrechne­t wenn es um den Dialekt geht, machen die Jüngsten nicht mehr richtig mit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany