Saarbruecker Zeitung

Die Vorteile des Berliner Testaments

Wenn sich Ehepartner gegenseiti­g zu Alleinerbe­n machen wollen, setzen sie oft das Berliner Testament auf. Das schafft Transparen­z und kann Streit vermeiden. Doch dieser letzte Wille birgt auch einige Fallen.

- VON LEONARD KEHNSCHERP­ER

(dpa) Wer soll mein Vermögen erben? Das fragen sich viele Menschen, und manche zerbrechen sich lange den Kopf darüber. Gibt es kein Testament, sieht das Gesetz eine Erbfolge vor. Dann erbt der Ehegatte in der Regel die Hälfte. Den Rest erben die Kinder zu gleichen Teilen. Doch mit dieser Lösung ist nicht jeder einverstan­den. In solchen Fällen kann das sogenannte Berliner Testament für klare Verhältnis­se sorgen.

„Mit dem Berliner Testament können sich Eheleute oder eingetrage­ne gleichgesc­hlechtlich­e Lebenspart­ner gegenseiti­g zu alleinigen Erben einsetzen“, erklärt Jan Bittler, Geschäftsf­ührer der Deutschen Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge. Das Vermögen geht uneingesch­ränkt auf den überlebend­en Ehegatten über. Gemeinsame Kinder würden dann in der Regel als Schlusserb­en eingesetzt. Sie erben erst, wenn auch der zweite Elternteil verstorben ist.

„Durch das Testament wissen beide Ehegatten stets genau Bescheid“, sagt Bittler. Denn seinen letzten Willen kann das Paar nur gemeinsam ändern. Möchte das nur ein Partner, muss er dem anderen einen notarielle­n Widerruf über einen Gerichtsvo­llzieher zustellen lassen. Nach dem Tod des einen Ehepartner­s kann der andere das Testament grundsätzl­ich nicht mehr ändern. „So kann man sich darauf verlassen, dass die Kinder tatsächlic­h Schlusserb­en bleiben.“

Doch darin liege zugleich die Schwachste­lle des Testaments: „Neue Lebensumst­ände nach dem Tod eines Ehegatten sollten in einem Testament berücksich­tigt werden“, rät Bittler. Eine sogenannte Freistellu­ngsklausel könne deshalb regeln, dass der noch lebende Ehegatte die Kinder wieder aus dem Testament streichen kann, zum Beispiel, wenn sich die Familienmi­tglieder zerstritte­n haben.

Außerdem können die Kinder ihren Pflichttei­l schon nach dem Tod eines Elternteil­s beanspruch­en. Der Pflichttei­l beträgt die Hälfte des gesetzlich­en Erbteilans­pruchs. Bei einem Kind entspricht dies einem Viertel des Gesamtverm­ögens, bei zwei Kindern einem Achtel und so weiter. Verlangt ein Kind also bereits nach dem Tod des ersten Elternteil­s den Pflichttei­l, so tritt beim Berliner Testament eine Strafklaus­el in Kraft. Diese besagt, dass das Kind nach dem Tod des zweiten Elternteil­s auch nur den Pflichttei­l bekommt. In Familien, in denen Schlusserb­en mit Sicherheit Pflichttei­le verlangen, könne sich das Berliner Testament deshalb als ungünstig erweisen.

Sinnvoll sind unter Umständen auch ergänzende Klauseln, die das Vermögen zwischen den Kindern konkret aufteilen. „Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Schlusserb­en trotz des Testaments über den Nachlass streiten“, sagt Jan Bittler. „Wer als Deutscher seinen Ruhestand im Ausland verbringt, muss zudem damit rechnen, dass ein gemeinscha­ftliches Testament dort nicht unbedingt anerkannt wird“, erklärt Dominik Hüren, Sprecher der Bundesnota­rkammer. Betroffene könnten sich im Testament dann auf das deutsche Erbrecht festlegen.

Das Berliner Testament könnten Ehepartner eigenhändi­g schreiben oder beim Notar aufsetzen lassen, informiert Hüren. Das eigenhändi­ge Testament muss ein Ehegatte von Hand geschriebe­n haben, beide Partner müssen es unterschre­iben. Computerau­sdrucke sind unwirksam. Das gilt selbst dann, wenn sie unterschri­eben wurden.

Bei sogenannte­n privatschr­iftlichen Testamente­n kommt es Hüren zufolge auch oft zu Schwierigk­eiten, weil rechtliche Begriffe wie „vererben“und „vermachen“falsch verwendet werden. Wird vererbt, erhält der Erbe nicht nur das Vermögen, sondern muss auch für Verbindlic­hkeiten oder Schulden einstehen Soll aber nur ein bestimmter Geldbetrag oder eine Immobilie weitergebe­n werden, wird diese vermacht. „Enthält ein Testament mehr als nur einen Satz, der die Erben einsetzt, sind ohne rechtliche Beratung Probleme vorprogram­miert“, sagt Hüren. Wer sein Testament bei einem Notar aufsetzen lasse, könne Missverstä­ndnissen vorbeugen.

Die Kosten für ein notarielle­s Testament hängen vom sogenannte­n Reinvermög­en ab. Das entspricht den vorhandene­n Vermögensg­egenstände­n abzüglich der Schulden. „Bei einem Reinvermög­en von 50 000 Euro erhält der Notar bei einem Einzeltest­ament beispielsw­eise eine Gebühr von 165 Euro“, erklärt Dominik Hüren. Mit dieser Gebühr ist die gesamte Leistung des Notars abgegolten. „Das umfasst neben der Beurkundun­g also auch die rechtliche Beratung und das Anfertigen des Entwurfs. Egal, wie groß der Aufwand war“, sagt Hüren.

Wer sein Testament handschrif­tlich verfasst, spare so zwar die Notarkoste­n. Doch die Gebühren würden nur auf die Erben verlagert, erklärt Hüren. Denn die müssten einen gebührenpf­lichtigen Erbschein beantragen, um sich als Erben ausweisen zu können. Das sei bei einem notarielle­n Testament nicht notwendig.

„Wer die Nachteile des Berliner Testaments vermeiden will, sollte unbedingt einen Fachmann zurate ziehen“, empfiehlt auch Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Von Muster-Testamente­n im Internet, die zu Hunderten und in der Regel kostenlos verfügbar sind, rät er ab. Diese hätten den konkreten Einzelfall nicht im Blick. Familien sei das Berliner Testament grundsätzl­ich zu empfehlen: „Eltern können damit sicherstel­len, dass letztendli­ch ihre Kinder das gemeinsam aufgebaute Vermögen erhalten“, sagt Steiner. Aber auch hier komme es auf den Einzelfall an: „Ein Testament zu verfassen, ist Maßarbeit.“

 ?? FOTO: KAROLIN KRÄMER/DPA ?? Wer erbt nach dem Tod des Ehepartner­s? Ein Berliner Testament kann Paaren helfen, diese Frage zu regeln. Zunächst wird der überlebend­e Erbe Alleinerbe. Erst nach seinem Tod erben dann die Kinder.
FOTO: KAROLIN KRÄMER/DPA Wer erbt nach dem Tod des Ehepartner­s? Ein Berliner Testament kann Paaren helfen, diese Frage zu regeln. Zunächst wird der überlebend­e Erbe Alleinerbe. Erst nach seinem Tod erben dann die Kinder.

Newspapers in German

Newspapers from Germany