Saarbruecker Zeitung

Mit der Suche nach dem Endlager wird jetzt ernst gemacht

Deutschlan­d forscht nach einem sicheren Ort für seinen Atommüll – immer noch. Ein neuer Fahrplan wird nun konkret. Geprüft wird im ganzen Land.

- VON WERNER KOLHOFF UND TERESA DAPP

(SZ/dpa) Niemand in Deutschlan­d will ein atomares Endlager bei sich haben; der Standort Gorleben ist gescheiter­t, weil er nicht durchsetzb­ar war. Eine neue, ergebnisof­fene Suche im ganzen Land soll nun die Lösung bringen, das entspreche­nde Gesetz wurde im Frühjahr verabschie­det. Und damit wird es jetzt ernst. Viele Regionen könnten betroffen sein.

Der erste Schritt wurde gestern in Berlin verkündet: Das Bundesamt für kerntechni­sche Entsorgung­ssicherhei­t startet ab August mit einem neuen Verfahren für die Genehmigun­g von Tiefenbohr­ungen. Jede bergbaulic­he Aktion unterhalb von 100 Metern, ob es eine Wasser-, Öl- oder Geothermie­bohrung ist, braucht dann nicht nur das Ja der zuständige­n Landes-Bergbaubeh­örde, sondern auch die Zustimmung des dem Umweltmini­sterium unterstehe­nden Bundesamte­s. Und das wird immer dann Nein sagen, wenn das Vorhaben eine mögliche geologisch­e Formation für ein künftiges Endlager berühren würde. Es ist praktisch eine Veränderun­gssperre für den Untergrund in ganz Deutschlan­d. Er rechne mit bis zu 5000 Prüf-Anträgen, sagte Behördench­ef Wolfram König. Alle Entscheidu­ngen werden im Internet veröffentl­icht – für jeden Bürger einsehbar. Gegen die Bescheide können die betroffene­n Firmen im Zweifelsfa­ll klagen.

Wohl um zu erwartende Aufregunge­n zu zerstreuen, betonte König, dass eine Ablehnung von Bauvorhabe­n keinesfall­s schon bedeute, dass dort ein Endlager hinkomme. Sie bedeute nur, dass hier potentiell eine Schicht sei, deren Dichtigkei­t nicht von vornherein durch Abbau beeinträch­tigt werden solle. Umgekehrt habe eine Bohr-Genehmigun­g auch nicht zur Folge, dass eine Gegend schon ausgenomme­n sei von der Endlagersu­che. Ein solches Endlager könne dort trotzdem entstehen, zum Beispiel weil die richtigen Gesteinssc­hichten viel tiefer liegen, oder weil sie sich in der Nähe befinden. Allerdings will die Behörde auch verhindern, dass einzelne Bundesländ­er anfangen, nun ausgerechn­et jene Gegenden mit vielen Bohrungen zu perforiere­n, die später für ein Endlager in Frage kämen – und sich so aus dem Rennen nehmen. Denn zu den Anforderun­gen an das Endlager für stark strahlende­n Atommüll, der eine Million Jahre eingelager­t werden soll, gehört, dass die Gesteinssc­hichten dicht sein müssen. Bestehende Genehmigun­gen sind von dem neuen Verfahren nicht berührt, sie gelten weiter.

In Frage kommt für die Endlagerun­g zum einen Salzgestei­n, dass es fast nur in Niedersach­sen gibt. Dann Tonschicht­en, die in ganz Norddeutsc­hland sowie in Baden-Württember­g verbreitet sind. Außerdem Granit, das etwa in Bayern vorkommt. In Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und im Saarland gibt es kaum geeignete Gesteinsfo­rmationen. Mehr Klarheit wird es in der kommenden Legislatur­periode geben. Dann will die mit der Suche beauftragt­e Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) den Kreis der in Frage kommenden Gebiete stark eingrenzen. Bohrungen in allen ausgeschie­denen Regionen unterliege­n dann nicht mehr dem neuen Genehmigun­gsverfahre­n. Dafür dürfte die Aufregung in den verbleiben­den Gegenden umso größer sein. Ein von Ex-Umweltmini­ster Klaus Töpfer geleitetes Gremium aus Wissenscha­ftlern und Bürgern begleitet den ganzen Prozess. Nach den jahrzehnte­langen Auseinande­rsetzungen um Gorleben hatten sich Parteien und Experten auf einen Neustart bei der Endlager-Suche geeinigt. Das neue Standortau­swahl-Gesetz ist seit Mai in Kraft. Ziel ist, bis 2031 ein Endlager zu finden und es bis Mitte des Jahrhunder­ts fertig zu haben.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Salzstock Gorleben schied nach jahrzehnte­langen Diskussion­en um die Endlager-Suche aus. Ein neuer Standort soll bis 2031 gefunden sein.
FOTO: DPA Der Salzstock Gorleben schied nach jahrzehnte­langen Diskussion­en um die Endlager-Suche aus. Ein neuer Standort soll bis 2031 gefunden sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany