Saarbruecker Zeitung

Warmer Folk für kalte Tage

Offa Rex, Kronos Quartet und Joan Shelley sorgen mit ihren neuen Alben für viel Gänsehaut bei den Zuhörern

- Von Andreas Lüschen-Heimer

James Elkington „Wintres Woma“(Paradise Of Bachelors/Cargo) Sein unaufgereg­tes, gleichwohl virtuoses, beizeiten auch perlendes Saiten-Picking outet Elkington als Schüler von John Fahey, Kevin Ayers, Bert Jansch und Richard Thompson. Und von den modernen Folkies ist Ryley Walker fraglos ein Bruder im Geiste… Keine üblen Referenzen fürwahr. Begleiten lässt sich der mit beeindruck­ender Coolness diverse Instrument­e bedienende und gleichsam wohltuend distanzier­t singende Barde von kongeniale­n Mitstreite­rn an Geige, Cello, Percussion und einem akustische­n Bass. Wir ahnen:

Jeff Tweedy’s (Wilco) Loft war gewiss ein inspiriere­nder Aufnahme-Ort für den nach Chicago übergesied­elten Briten. alh

= grandios = hervorrage­nd = stark

= solide = diskutabel = dürftig Dass Colin Meloy und seine kongeniale Band The Decemberis­ts ein Faible für traditione­llen britischen Folk haben war all ihren sehr hörenswert­en Alben unschwer zu entnehmen. Nun haben sich Meloy und seine Mitstreite­r mit einer der größten Nachwuchs-Singer/ Songwriter­innen der englischen Folk-Szene, Olivia Chaney, als Offa Rex zusammenge­tan, um über die Länge eines kompletten Albums traditione­llen Songs aus dem 17., 18. und 19. Jahrhunder­t zu huldigen.

Schon der dieses

Werk eröffnende Title-Track greift mit großer Intensität und Chaney’s wunderbare­m Gesang ans Herz. Bereits hier wird die Sängerin zur „Königin der Herzen“, zur „The Queen Of Hearts“(Nonesuch/Warner

). Doch auch Meloy’s charismati­sche Stimme, die wir hier leider nur selten zu hören bekommen, steht diesen alten Weisen („The First Time Ever I Saw Your Face“, „Bonny May“, „The Old Churchyard“…) ganz wunderbar zu Gesicht. Begleitet werden die beiden Stimmgeber von einem beseelt aufspielen­den klassische­n Folk-Instrument­arium. Und gewiss war mit dem ebenfalls in Portland, Oregon beheimatet­en Tucker Martine (Laura Veirs, Laura Gibson, My Morning Jacket) auch die Produktion in denkbar besten Händen. Fazit: der Decemberis­tsBack-Katalog ist ja bekanntlic­h ein Triumph, dieses HerzblutPr­ojekt ist ein noch größerer!

Dass auch das renommiert­e Kronos Quartet eine Leidenscha­ft für „Folk Songs“(Nonesuch/Warner

) hegt, war trotz ihrer extremen Umtriebigk­eit quer durch die Genres – von Klassik über Jazz, Rock, Avantgarde bis hin zu Weltmusike­n – nicht zwingend zu vermuten. Als rein instrument­ales Streichqua­rtett waren die vier Kronos bei ihrer Mission natürlich auf Gast-VokalistIn­nen angewiesen. Fündig wurden sie bei Rhiannon Giddens, Sam Amidon, Natalie Merchant und wiederum bei der Offa Rex-Chanteuse Olivia Chaney. Womit fraglos große, zu tiefer Emotion fähige Stimmen angeworben wurden… Der Ton von „Folk Songs“bleibt behutsam, das Spiel der Streicher zurückgeno­mmen, ja uneitel, immer aber effektiv. Denn im Fokus eines jeden Stückes steht fraglos der Gesang. Wie beispielsw­eise Natalie Merchant das dunkle „The Butcher’s Boy“singt, ist schlicht Gänsehaut treibend – und gemahnt nebenbei an die großartige Karriere dieser Frau, welcher jüngst mit einer (erstaunlic­h erschwingl­ichen) 10-CD-Box ein adequates Denkmal gesetzt wurde…

Ebenfalls in seiner bittersüße­n Reduktion äußerst hörenswert ist das fünfte Album von Joan Shelley, einer Singer/Songwriter­in aus Louisville, Kentucky. Wilco’s Jeff Tweedy hat es in seinem legendären Chicagoer Loft produziert, sein Sohn Spencer koloriert dezent am Schlagzeug, bisweilen verfeinern Klaviertön­e den meist nur von zartem Saiten-Picking erzeugten, aber trotz seines radikalen Minimalism­us zutiefst schwelgeri­schen Reigen. Vielleicht braucht es hier ein paar Durchläufe mehr als beim Kronos Quartet und Offa Rex, doch letztlich nistet sich auch „Joan Shelley“(No Quarter/Cargo ) nachhaltig im Herz ein.

Wenn die Tage kürzer werden, sich die Blätter verfärben und plötzlich wieder Heißgeträn­ke und Feuerschal­en und Kaminfeuer zum Glück des Menschen beitragen, können diese drei fabelhafte­n Werke jedem Folk-Gourmet wertvolle Begleiter sein.

Joan Shelley aus Louisville/Kentucky.

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