Warmer Folk für kalte Tage
Offa Rex, Kronos Quartet und Joan Shelley sorgen mit ihren neuen Alben für viel Gänsehaut bei den Zuhörern
James Elkington „Wintres Woma“(Paradise Of Bachelors/Cargo) Sein unaufgeregtes, gleichwohl virtuoses, beizeiten auch perlendes Saiten-Picking outet Elkington als Schüler von John Fahey, Kevin Ayers, Bert Jansch und Richard Thompson. Und von den modernen Folkies ist Ryley Walker fraglos ein Bruder im Geiste… Keine üblen Referenzen fürwahr. Begleiten lässt sich der mit beeindruckender Coolness diverse Instrumente bedienende und gleichsam wohltuend distanziert singende Barde von kongenialen Mitstreitern an Geige, Cello, Percussion und einem akustischen Bass. Wir ahnen:
Jeff Tweedy’s (Wilco) Loft war gewiss ein inspirierender Aufnahme-Ort für den nach Chicago übergesiedelten Briten. alh
= grandios = hervorragend = stark
= solide = diskutabel = dürftig Dass Colin Meloy und seine kongeniale Band The Decemberists ein Faible für traditionellen britischen Folk haben war all ihren sehr hörenswerten Alben unschwer zu entnehmen. Nun haben sich Meloy und seine Mitstreiter mit einer der größten Nachwuchs-Singer/ Songwriterinnen der englischen Folk-Szene, Olivia Chaney, als Offa Rex zusammengetan, um über die Länge eines kompletten Albums traditionellen Songs aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert zu huldigen.
Schon der dieses
Werk eröffnende Title-Track greift mit großer Intensität und Chaney’s wunderbarem Gesang ans Herz. Bereits hier wird die Sängerin zur „Königin der Herzen“, zur „The Queen Of Hearts“(Nonesuch/Warner
). Doch auch Meloy’s charismatische Stimme, die wir hier leider nur selten zu hören bekommen, steht diesen alten Weisen („The First Time Ever I Saw Your Face“, „Bonny May“, „The Old Churchyard“…) ganz wunderbar zu Gesicht. Begleitet werden die beiden Stimmgeber von einem beseelt aufspielenden klassischen Folk-Instrumentarium. Und gewiss war mit dem ebenfalls in Portland, Oregon beheimateten Tucker Martine (Laura Veirs, Laura Gibson, My Morning Jacket) auch die Produktion in denkbar besten Händen. Fazit: der DecemberistsBack-Katalog ist ja bekanntlich ein Triumph, dieses HerzblutProjekt ist ein noch größerer!
Dass auch das renommierte Kronos Quartet eine Leidenschaft für „Folk Songs“(Nonesuch/Warner
) hegt, war trotz ihrer extremen Umtriebigkeit quer durch die Genres – von Klassik über Jazz, Rock, Avantgarde bis hin zu Weltmusiken – nicht zwingend zu vermuten. Als rein instrumentales Streichquartett waren die vier Kronos bei ihrer Mission natürlich auf Gast-VokalistInnen angewiesen. Fündig wurden sie bei Rhiannon Giddens, Sam Amidon, Natalie Merchant und wiederum bei der Offa Rex-Chanteuse Olivia Chaney. Womit fraglos große, zu tiefer Emotion fähige Stimmen angeworben wurden… Der Ton von „Folk Songs“bleibt behutsam, das Spiel der Streicher zurückgenommen, ja uneitel, immer aber effektiv. Denn im Fokus eines jeden Stückes steht fraglos der Gesang. Wie beispielsweise Natalie Merchant das dunkle „The Butcher’s Boy“singt, ist schlicht Gänsehaut treibend – und gemahnt nebenbei an die großartige Karriere dieser Frau, welcher jüngst mit einer (erstaunlich erschwinglichen) 10-CD-Box ein adequates Denkmal gesetzt wurde…
Ebenfalls in seiner bittersüßen Reduktion äußerst hörenswert ist das fünfte Album von Joan Shelley, einer Singer/Songwriterin aus Louisville, Kentucky. Wilco’s Jeff Tweedy hat es in seinem legendären Chicagoer Loft produziert, sein Sohn Spencer koloriert dezent am Schlagzeug, bisweilen verfeinern Klaviertöne den meist nur von zartem Saiten-Picking erzeugten, aber trotz seines radikalen Minimalismus zutiefst schwelgerischen Reigen. Vielleicht braucht es hier ein paar Durchläufe mehr als beim Kronos Quartet und Offa Rex, doch letztlich nistet sich auch „Joan Shelley“(No Quarter/Cargo ) nachhaltig im Herz ein.
Wenn die Tage kürzer werden, sich die Blätter verfärben und plötzlich wieder Heißgetränke und Feuerschalen und Kaminfeuer zum Glück des Menschen beitragen, können diese drei fabelhaften Werke jedem Folk-Gourmet wertvolle Begleiter sein.
Joan Shelley aus Louisville/Kentucky.