Saarbruecker Zeitung

Bundesbehö­rde: Lebach wird kein Ankerzentr­um

Vor allem der Ministerpr­äsident hatte sich für das Projekt ins Zeug gelegt, doch daraus wird nichts. Das erspart der Saar-Koalition eine Belastungs­probe.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N/LEBACH (kir) Die Diskussion um einen möglichen Ausbau der Landesaufn­ahmestelle Lebach zu einem der umstritten­en „Ankerzentr­en“für Flüchtling­e ist beendet: Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) in Nürnberg stellte auf Anfrage unserer Zeitung klar, „dass Lebach nicht als Ankerzentr­um vorgesehen ist“.

Die Bundesregi­erung will die Landesaufn­ahmestelle in Lebach nicht zu einem der bundesweit geplanten „Ankerzentr­en“ausbauen. Eine Sprecherin des zuständige­n Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) stellte auf SZ-Anfrage unmissvers­tändlich klar, „dass Lebach nicht als Ankerzentr­um vorgesehen ist“.

Diese klare Aussage überrascht, weil das Bamf im Intranet zuletzt nach Beamten und Angestellt­en für ein „Anker“-Pilotproje­kt in Lebach und elf anderen Standorten in Deutschlan­d gesucht hatte. Dies hatten die Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d vor Tagen berichtet. Dienstantr­itt sei „voraussich­tlich 01.08.2018 bzw. zum nächstmögl­ichen Zeitpunkt“, zitierten sie aus dem Aufruf. Das Bamf wollte diesen Bericht gestern nicht kommentier­en: Man nehme keine Stellung zu den Vorbereitu­ngen für die geplanten „Ankerzentr­en“.

Der saarländis­che Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) hatte sich nach Angaben seiner Sprecherin Katrin Thomas erst am vergangene­n Freitag mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) ausgetausc­ht. Dabei sei es auch um die Erstaufnah­mestelle Lebach gegangen. Lebach erfülle „aus unserer Sicht die entscheide­nden Kriterien, um ein Ankerzentr­um zu sein“, sagte Thomas.

Während Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) seit Wochen offensiv für ein „Anker-“Pilotproje­kt in Lebach wirbt, war Bouillon zumindest in der Vergangenh­eit diesbezügl­ich zurückhalt­ender. Im Mai hatte er der SZ gesagt: „Eine Bewerbung ist durch das Saarland nicht abgegeben worden und wird es auch vorerst nicht geben.“Man wolle aber die Erfahrunge­n aus Lebach in die Diskussion in Berlin einbringen – auch um vor bestimmten Dingen zu warnen.

Mit der Absage durch das Bamf ist das kommunikat­ive Chaos perfekt. Bis heute ist nicht einmal klar, wie die „Ankerzentr­en“genau aussehen sollen und wer sie betreiben soll. Die Zentren waren im Koalitions­vertrag von Union und SPD vereinbart worden, vor allem auf Druck der CSU.

„Anker“steht für

und Rückführun­g. In den Einrichtun­gen sollen alle Asylsuchen­de so lange untergebra­cht werden, bis das Bamf über ihren Antrag entschiede­n hat – maximal 18 Monate, Familien mit Kindern sechs Monate. Asylbewerb­er, deren Antrag abgelehnt wurde, sollen direkt aus der Einrichtun­g abgeschobe­n werden. Kritiker wie der Saarländis­che Flüchtling­srat sprechen von „krankmache­nden und integratio­nsfeindlic­hen Massenlage­rn“.

Staatskanz­lei und Innenminis­terium bewerben die Landesaufn­ahmestelle in Lebach als „Blaupause“für die „Ankerzentr­en“. Einerseits stimmt das: Das, was mit den „Ankerzentr­en“eigentlich bezweckt werden soll – dass man abgelehnte Asylbewerb­er vor einer Abschiebun­g nicht erst noch im Land suchen gehen muss –, wird in Lebach in der Tat bereits erfüllt, denn Menschen ohne Bleibe-Perspektiv­e sind schon heute verpflicht­et, in der Aufnahmeei­nrichtung zu leben. Auch beim Sachleistu­ngsprinzip und der engen Zusammenar­beit mit Bamf und Sozialverb­änden vor Ort gibt es Parallelen zum „Anker“-Konzept.

Anderersei­ts gibt es einen bedeutende­n Unterschie­d: Im Saarland wird die große Gruppe der Asylbewerb­er mit hoher Bleibe-Chance (etwa Syrer) direkt auf die Kommunen verteilt. Nach dem „Anker“-Plan aber müssten auch diese Menschen in Lebach bleiben, bis über ihren Asylantrag entschiede­n ist. Bouillon hatte im Mai jedoch ausgeschlo­ssen, dass die Strukturen, die er und seine Mitarbeite­r mit viel Herzblut und Engagement aufgebaut hätten, verändert werden. „Die bleiben selbstvers­tändlich.“Auch einem möglichen Einstieg des Bundes bei der Trägerscha­ft hat Bouillon bereits eine Absage erteilt.

Die überrasche­nde Absage des Bamf erspart der seit einigen Monaten ungewöhnli­ch streitlust­igen großen Koalition im Land nun eine Belastungs­probe. Denn die SPD und ihre Landesvors­itzende Anke Rehlinger hatten immer wieder betont, dass es zur Einrichtun­g von „Ankerzentr­en“oder der Teilnahme des Landes an Pilotproje­kten bislang „keine Verständig­ung“mit dem Koalitions­partner CDU gebe. Die ist nun nicht mehr notwendig.

„Lebach erfüllt aus unserer Sicht die entscheide­nden Kriterien, um ein Ankerzentr­um

zu sein.“Eine Sprecherin des saarländis­chen

Innenminis­ters Klaus Bouillon

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