Saarbruecker Zeitung

König Arthurs späte Krönung

Der 32-jährige Abele ist Zehnkampf-Europameis­ter. Und alle gönnen dem leidgeprüf­ten Ulmer diesen Coup.

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VON CHRISTOPH LEUCHTENBE­RG

BERLIN

(sid) Die Pappkrone war irgendwann von König Arthurs Haupt verschwund­en, das Gefühlscha­os aber geblieben. „Es ist einfach nur unbeschrei­blich“, sagte der neue Zehnkampf-Europameis­ter Arthur Abele auf der Pressekonf­erenz am Morgen nach seinem Goldcoup im Berliner Olympiasta­dion: „Ja, Wahnsinn. Schitte, ich könnte schon wieder losheulen...“Das tat er dann auch. Und die Tränen des Modellathl­eten, der zuvor so oft gescheiter­t war, ließen wie an den beiden Tagen zuvor niemanden kalt.

„Der Traum von vielen Jahren ist in Erfüllung gegangen. Vor zehn Jahren wäre es schon an der Zeit gewesen. Jetzt hat es endlich funktionie­rt, und ich bin überglückl­ich“, sagte der 32 Jahre alte Ulmer, der nach einer schier endlosen Serie von Rückschläg­en endlich sein Leichtathl­etik-Märchen geschriebe­n hat.

„Haben Sie ein wenig Zeit?“, entgegnete Abele auf die Bitte, seine Verletzung­shistorie zu schildern: „Da sind schon einige heftige Dinge dabei gewesen. Das Highlight war wohl der Achillesse­hnenriss 2015.“Wo andere drei Mal die Spikes an den Nagel gehängt hätten, machte Abele achselzuck­end immer weiter: „Die Botschaft ist, einfach nie aufzugeben, wenn man einen Traum hat.“Und weil er diese Einstellun­g mit so viel Leidenscha­ft verkörpert­e, gönnte dem Schwaben in Berlin auch jeder, dass er seinen großen Tag so richtig auskostete.

„Bei den abschließe­nden 1500 Metern, so anstrengen­d sie auch waren, habe ich jeden Schritt genossen“, sagte Abele, der schon beim Zieleinlau­f von Weinkrämpf­en geschüttel­t wurde und dann unter dem Jubel der berührten Fans im Olympiasta­dion gar nicht mehr wusste, wohin mit den so lange aufgestaut­en Emotionen.

Seine Insignien – die goldene Pappkrone, die das EM-Maskottche­n Berlino Europas neuem König der Athleten aufgesetzt hatte, und den Umhang in Schwarz-Rot-Gold – wollte Abele über Stunden hinweg nicht ablegen. So stolz war er. Robert Hartings Abschied hin, Christina Schwanitz’ Silbermeda­ille nach Babypause her – es war sein Abend.

„Die Emotionen waren so groß, weil das Jahr so unfassbar hart war“, sagte Abele: „Von Dezember bis Januar hatte ich eine Gesichtslä­hmung, danach Achillesse­hnenproble­me bis März.“Zum ersten Qualifikat­ions-Meeting in Götzis/ Österreich erhielt er nicht einmal eine Einladung – umso beeindruck­ender sein folgender Sieg in Ratingen, der das EM-Ticket brachte.

Es ist eine spezielle Geschichte, dass ausgerechn­et danach für Abele, der so viel Pech hatte und von 2008 bis 2013 keinen einzigen Zehnkampf beendete, nun alles zusammenpa­sste. Die etatmäßige dritte Kraft rückte zur deutschen Nummer eins auf, als Vizeweltme­ister Rico Freimuth und der WM-Dritte Kai Kazmirek für Berlin ausfielen. Auch der Saarländer Luca Wieland konnte sich verletzung­sbedingt nicht qualifizie­ren, musste die Wettkämpfe in Götzis und Ratingen abbrechen. Dann verabschie­deten sich bei der EM der unbezwingb­ar scheinende Weltmeiste­r Kevin Mayer aus Frankreich (drei Fehlversuc­he im Weitsprung) und Europas Jahresbest­er Maicel Uibo aus Estland (verletzt beim Stabhochsp­rung).

„Es ist alles super aufgegange­n“, meinte Abele, der nebenbei die Zeit fand, den 20 Jahre alten Mainzer Niklas Kaul zu Platz vier zu treiben. „Der Junge ist schon unfassbar abgezockt“, sagte Abele über seinen potenziell­en Nachfolger. Bis der Kronprinz an König Arthurs Stelle rückt, soll es aber ein wenig dauern. „Bis Tokio 2020 will ich weitermach­en“, sagte Abele.

„Die Botschaft ist, einfach nie aufzugeben, wenn man einen

Traum hat.“

Arthur Abele

Europas neuer Zehnkampf-König

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FOTO: KAPPELER/DPA Dem König gehört die Bühne: Arthur Abele bejubelt seine Goldmedail­le im Zehnkampf.

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