Schwimmer haben wieder Oberwasser
Die deutsche Bilanz der Europameisterschaften fällt positiv aus. Zum Abschluss holt die 4x100-Meter-Lagenstaffel der Männer Bronze.
VON JÖRG SOLDWISCH
GLASGOW
(sid) Die Lagenstaffel sorgte für einen bronzenen Abschluss, der neue Hoffnungsträger Florian Wellbrock schwebte „auf Wolke sieben“, im Team gab es einen spürbaren Stimmungsumschwung: Die deutschen Schwimmer haben nach Jahren voller Tiefschläge bei den European Championships in Glasgow wieder Oberwasser bekommen. Die gestiegene Aufmerksamkeit durch das neue Format hat das Team fast optimal für sich genutzt.
„Das hat ganz gut geklappt“, sagte Bundestrainer Henning Lambertz, der am gestrigen Donnerstagabend noch mal über den dritten Platz seines Männer-Quartetts über 4x100 Meter Lagen jubeln durfte. „Das war ein supergeiler Abschluss“, freute sich Staffelschwimmer Christian Diener. Der angeschlagene Damian Wierling schlug als Schlussschwimmer des Quartetts mit einem Vorsprung von 18 Hundertstelsekunden vor Litauen an. Der Sieg ging an Gastgeber Großbritannien vor Russland. „Supergeiler Abschluss. Das hat mega Spaß gemacht“, sagte Rückenschwimmer Diener. „Das war ein geiles Rennen.“Vor Diener schwammen Fabian Schwingenschlögl und Marius Kusch.
Mit der Ausbeute von acht Medaillen (zweimal Gold, zweimal Silber, viermal Bronze) und 33 Finaleinzügen wurde die Bilanz der erfolgreichen Heim-EM 2014 mit Paul Biedermann und Marco Koch überboten. Allein vier Mal Edelmetall ging auf das Konto des Paares Wellbrock und Sarah Köhler.
Gestern verpassten Johannes Hintze (400 Meter Lagen), Lisa Graf (200 Meter Rücken) und Aliena Schmidtke (50 Meter Schmetterling) jeweils auf Platz vier knapp das Podium. Köhler wurde nach Silber über 1500 Meter und Bronze in der Staffel über 400 Meter Freistil Fünfte. Es siegte die dreimalige Gewinnerin Simona Quadarella (Italien).
Von seinem beim Dienstantritt 2013 formulierten Ziel, Schwimm-Deutschland wieder zur Nummer eins in Europa machen zu wollen, ist Lambertz aber nach wie vor weit entfernt. Russland, Großbritannien und Italien lagen im Medaillenspiegel deutlich vorne. Damit es bei der WM im kommenden Sommer in Südkorea und bei Olympia 2020 in Tokio kein böses Erwachen gibt, warnte Lambertz vor zu großer Euphorie.
„Wir müssen realistisch sein, dass viele Zeiten, die hier für ein Finale gereicht haben, auf Weltniveau gegen Amerika, Australien, Japan und China nicht reichen“, sagte Lambertz: „So blind sind wir trotz der ganzen Euphorie nicht.“Eine ähnliche Bilanz bei der WM und Olympia zu erwarten, wäre „fatal“.
Von Wellbrock darf man sich in Zukunft aber zweifelsohne große Dinge erhoffen. Der 20 Jahre alte Magdeburger verdiente sich mit Gold über 1500 Meter Freistil, Bronze über 800 Meter und zwei deutschen Rekorden das Prädikat „Weltklasse“. Wellbrock startet morgen noch im Loch Lomond mit seiner Freundin Köhler in der Freiwasser-Staffel über 4x1,25 Kilometer.
Lambertz‘ „Staffel-Attacke“ging derweil voll auf. Der Bundestrainer hatte die Normzeiten für die Quartette abgeschwächt, um die gesteigerte Fernsehpräsenz mit Finalteilnahmen zu nutzen. Alle neun Staffeln schafften den Sprung in die Endläufe. Darunter die 4x100-Meter-MixedFreistil, die mit dem Saarbrücker Christoph Fildebrandt Fünfter wurde. Die 4x100-Meter-Freistil-Staffel der Männer wurde mit Fildebrandt Siebter. Ein gemischtes Team sorgte mit Gold über 4x200 Meter Freistil sogar für ein Highlight. Dazu gab es Bronze für die 4x200-Meter-Kraulstaffel der Frauen und am Ende der Lagenstaffel. Die Staffelerfolge trugen auch dazu bei, dass die Stimmung im Team „eine komplett andere war als im letzten Jahr“, sagte Lambertz. Bei der WM in Budapest hatten er und Philip Heintz sich öffentlich verkracht. In Glasgow sei aber „jeder mit Freude an die Sache gegangen“, sagte der Bundestrainer, „das ist fantastisch.“
Wasserspringer Patrick Hausding belegte gestern vom Drei-Meter-Brett den fünften Platz. Der mit einer Oberschenkelzerrung angeschlagene Rekordeuropameister (421,10 Punkte) landete hinter Sieger Jack Laugher aus Großbritannien(525,95), Ilja Sacharow (519,05) und Bronze-Gewinner Jewgeni Kusnetsow (508,05/beide Russland).