Saarbruecker Zeitung

Studie: Sexismus in Amtsstuben ist Alltag

- VON WERNER KOLHOFF

„Metoo“ist längst nicht nur ein Problem in Filmszene oder Betrieben. Auch in deutschen Amtsstuben ist sexuelle Belästigun­g offenbar an der Tagesordnu­ng. Das zeigt eine Studie des Beamtenbun­des.

BERLIN Auch in den Amtsstuben könnten „MeToo“-Kampagnen nützlich sein. Denn laut einer gestern veröffentl­ichten Befragung von „Forsa“kommt sexuelle Belästigun­g im öffentlich­en Dienst sogar etwas häufiger vor als in der Privatwirt­schaft. Und bei Diskrimini­erungen, etwa wegen des Alters oder des Geschlecht­s, liegt man nur unwesentli­ch besser.

Ausgerechn­et der Beamtenbun­d hatte die Studie in Auftrag gegeben, im Rahmen seiner jährlichen Untersuchu­ng über das Ansehen des Öffentlich­en Dienstes. Vorsitzend­er Ulrich Silberbach zeigte sich einigermaß­en entsetzt: „Dass wir so schlecht sind wie die Privatwirt­schaft, können wir nicht hinnehmen.“Man werde nun überlegen, was zu tun sei. Eventuell eine Aufklärung­skampagne, eventuell auch Schulungen für die Personalrä­te. Hintergrun­d des Erstaunens: Nirgendwo ist die Schutzdich­te für Arbeitnehm­er so hoch wie im öffentlich­en Dienst. Überall gibt es Antidiskri mini erungs stellen, zudem Frauen-und Behinderte­n beauftragt­e und natürlich Personal räte.

Trotzdem gaben von den 1004 befragten Beschäftig­ten des Staatssekt­ors 32 Prozent der Beamten und 34 Prozent der Tarifbesch­äftigten an, schon mal Formen sexueller Belästigun­g am Arbeitspla­tz erlebt zu haben. Entweder bei sich selbst (15 Prozent Beamte, 20 Prozent Tarifbesch­äftigte) und/oder bei Kollegen (jeweils 20 Prozent). Bei den befragten 1007 Beschäftig­ten der Privatwirt­schaft lag die Erfahrung mit sexueller Belästigun­g etwas niedriger, bei 29 Prozent.

Frauen sind mit insgesamt 35 Prozent deutlich mehr betroffen als Männer (25 Prozent), bei denen das Wissen über solche Übergriffe zudem viel weniger auf eigenes Erleben zurückgeht, sondern auf Beobachtun­gen und Gespräche im Büro. Als sexuelle Belästigun­g wurden Übergriffe, unangemess­ene Sprüche oder anzügliche Blicke gewertet. Auffällig auch, dass die Betroffene­n im Öffentlich­en Dienst so etwas offenbar leichter mit sich machen lassen als in der Privatwirt­schaft. In den Behörden wehrten sich nur 41 Prozent, in den Betrieben waren es 44 Prozent. 19 Prozent gaben an, sie hätten aus Angst oder Unsicherhe­it nichts unternomme­n, zehn Prozent, weil sie berufliche Nachteile befürchtet­en und sechs Prozent, weil der Chef selbst der Belästiger war. 24 Prozent fanden die Sache nicht so schlimm.

Auch in Sachen Diskrimini­erung ist der Öffentlich­e Dienst kein wirkliches Vorbild. In der Privatwirt­schaft fühlen sich 20 Prozent benachteil­igt, bei den Beamten sind es 15 Prozent und bei den Tarifbesch­äftigten in den Behörden 17 Prozent. Also kaum weniger. Die Männer, die das angaben, glauben, dass ihr Alter oder eine Behinderun­g der Grund sind, Frauen vermuten ihr Geschlecht oder den Familienst­and als Motiv. Hauptklage­n sind bei den Männern, dass sie eine begehrte Stelle nicht bekommen hätten; bei den Frauen eine unterblieb­ene Gehaltserh­öhung.

Was das allgemeine Ansehen des öffentlich­en Dienstes angeht, so ergab die Studie einen positiven Trend. Nur noch 32 Prozent finden ihn zu teuer, vor zehn Jahren waren das noch gute 58 Prozent. Ein starker Staat ist wieder bei 79 Prozent der Bürger angesagt. Im Berufe-Ranking liegt aktuell der Feuerwehrm­ann ganz vorne, knapp vor Arzt, Krankenpfl­eger und Erzieher. Verlierer im Ansehen sind Steuerbera­ter, Unternehme­r und Mitarbeite­r von Werbeagent­uren.

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