Saarbruecker Zeitung

Diebe erbeuten in deutschen Kliniken Millionen

Schmuck, Kleidung und sogar OP-Geräte: Kriminelle haben Krankenhäu­ser als lukratives Beuterevie­r erkannt – auch im Saarland. Gegensteue­rn fällt schwer.

- Produktion dieser Seite: Pascal Becher Nina Drokur VON JULIA GIERTZ UND IRIS NEU-MICHALIK

MANNHEIM/SAARBRÜCKE­N (dpa/ SZ) Ob Geldbörsen, Handys, medizinisc­he Geräte oder Topfpflanz­en – in deutschen Krankenhäu­sern wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Langfinger nutzen die Anonymität in den oft ausgedehnt­en Gebäudekom­plexen aus – und die Wehrlosigk­eit von Patienten. Der jährliche Schaden geht in die Millionen. Das Saarland geriet 2017 in die Schlagzeil­en, als zwischen dem 7. August und 4. September in gleich drei Krankenhäu­sern eingebroch­en wurde und jeweils mehrere endoskopis­che Geräte im Wert von mehreren hunderttau­send Euro verschwand­en. Bis heute konnten die Täter, die im Kreiskrank­enhaus St. Ingbert, im Klinikum Neunkirche­n und in der Caritas-Klinik Lebach Schlösser zu mehreren Räumen aufbrachen, nicht dingfest gemacht werden.

Die Krankenhäu­ser haben begrenzte Möglichkei­ten, dem Unwesen Einhalt zu gebieten: „Diebstahl ist ein Phänomen, das alle Krankenhäu­ser mehr oder weniger betrifft, auch weil es sich um offene Häuser handelt“, sagte Thomas Jacobs, Geschäftsf­ührer der Saarländis­chen Krankenhau­sgesellsch­aft. Bislang böten den Patienten allenfalls abschließb­are Schränke in den Krankenzim­mern einen gewissen Schutz vor Langfinger­n. Der Patientenv­erband mahnt allerdings schärfere Eingangsko­ntrollen an.

Während im Saarland solche Delikte nach Aussagen der Polizei meist nicht speziell auf den Tatort Klinik bezogen aufgeführt werden, gibt es in manch anderen Bundesländ­ern durchaus Erhebungen über das Ausmaß solcher Straftaten in Krankenhäu­sern. Die neuesten Zahlen sind dabei aus dem Jahr 2017. Im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden damals laut Landeskrim­inalamt (LKA) fast 6500 Diebstahls­fälle mit einem Schaden von 3,5 Millionen Euro in Krankenhäu­sern registrier­t. Ein Negativ-Rekord war im Jahr davor mit einem Schaden von 8,2 Millionen Euro erreicht worden, bei nur leicht höherer Fallzahl. Zum Vergleich: 2011 wurde infolge von 4715 Diebstähle­n ein Schaden von nahezu zwei Millionen angerichte­t.

Auch in hessischen Krankenhäu­sern kommt einiges abhanden: 2017 etwa neben Schmuck, Bekleidung und einem Regenschir­m auch Tiefkühlko­st, ein Bolzenschu­ssapparat oder ein Brettspiel. Gesamtscha­den: knapp 1,8 Millionen Euro. Die Aufklärung­squote bei den 1836 Fällen lag gerade mal bei 16 Prozent. Auch ein Hund gehörte einmal zum registrier­ten Diebesgut.

In Baden-Württember­g hat die Schadenssu­mme 2017 einen Höchststan­d von nahezu 2,75 Millionen Euro erreicht. Im Jahr 2013 waren es noch 1,8 Millionen Euro, aber die Zahl der Fälle, in die auch Arztpraxen einbezogen sind, lag damals bei 3200 und damit über dem aktuellste­n Wert von knapp unter 3000. Der Trend rückläufig­er Fallzahlen bei höherer Schadenssu­mme lässt sich in mehreren Bundesländ­ern beobachten, so etwa in Thüringen mit 384 Diebstähle­n und einem Schadensvo­lumen von rund 400 000 Euro im Jahr 2017, nach 496 Fällen und einem Schaden von 118 000 Euro im Jahr zuvor.

In Rheinland-Pfalz sorgte – ähnlich wie im Saarland – eine Häufung von Diebstähle­n hochwertig­er endoskopis­cher Geräte zwischen Juli 2015 und November 2017 für Aufregung. Auch dort ging der Schaden in die Millionen. Ein Diebstahl von medizinisc­hen Geräten im Wert von 500 000 Euro ließ 2017 auch in Brandenbur­g die Schadenssu­mme hochschnel­len.

Die Krankenhäu­ser tun sich im Allgemeine­n schwer, gegenzuste­uern. „Krankenhäu­ser sind große Komplexe mit unkontroll­iertem Zugang“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen aus Düsseldorf. Für Diebe sei es einfach, auf die Stationen zu kommen und Schubläden und Schränke in leeren Zimmern zu durchwühle­n. Deshalb sollten Patienten zumindest vorhandene Schließfäc­her nutzen.

Auch Pfleger seien inzwischen für die Problemati­k sensibilis­iert, sagt Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW. Es sei aber schwierig, den Überblick zu behalten. „Wir haben in NRW rund 4,6 Millionen Patienten jährlich in Krankenhäu­sern. Wenn jeder von ihnen auch von zwei oder drei Menschen Besuch bekommt, dann sind drei Viertel aller Bewohner NRWs einmal pro Jahr im Krankenhau­s.“

Der Allgemeine Patientenv­erband wünscht sich hingegen schärfere Kontrollen in den Eingangsbe­reichen von Kliniken. Dort müssten sich Besucher anmelden und sagen, wen sie auf welcher Station besuchen wollten und sich gegebenenf­alls ausweisen. „Nicht jeder sollte direkt in eine Klinik hineinspaz­ieren können“, meint Verbandspr­äsident Christian Zimmermann. Mit elektronis­cher Datenverar­beitung lasse sich leicht abschätzen, ob der Besucher lautere Absichten habe.

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FOTO: ANSPACH/DPA Diese Schilder hängen heute in vielen Kliniken in Deutschlan­d. Sie sollen Patienten, Personal und Besucher vor Dieben warnen – oft vergebens.

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