Saarbruecker Zeitung

Manager werden immer häufiger verklagt

Viele Klagen kommen aus dem eigenen Unternehme­n. Cyber-Kriminalit­ät und Datenschut­z verschärfe­n das Problem.

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(dpa) Deutschlan­ds Manager laufen immer größere Gefahr verklagt zu werden. Die Klageneigu­ng hat so stark zugenommen, dass die Manager-Haftpflich­t für Versicheru­ngen immer kostspieli­ger wird. Nach Einschätzu­ng von Fachleuten aus der Branche sind die „D&O“-Policen für Vorstände, Geschäftsf­ührer und Aufsichtsr­äte mindestens in Teilen zu einem Verlustges­chäft geworden. Die auf Firmenkund­en spezialisi­erte Allianz-Tochter AGCS meldet stark gestiegene Ausgaben für Schäden in den vergangene­n Jahren.

D&O ist die Abkürzung der branchenüb­lichen englischen Bezeichnun­g für die Manager-Haftpflich­t: Directors and Officers. Kostspieli­g für die Versicheru­ngen sind demnach vor allem die Vorstände großer Unternehme­n: Besonders im Industrieu­nd Konzernseg­ment seien sehr große Schäden immer häufiger aufgetrete­n, weitere könnten folgen, heißt es beim weltgrößte­n Rückversic­herer Munich Re. Im Bereich der kleineren und mittelstän­dischen Unternehme­n sind nach Angaben der Münchner „steigende Basisschad­enquoten“zu verzeichne­n. Das heißt, die Ausgaben für Schäden steigen im Verhältnis zu den Beitragsei­nnahmen.

„Die Klageneigu­ng gegen das Management hat zugenommen“, sagt Martin Zschech, D&O-Experte bei der Allianz. „Bei der AGCS sind die Schadenmel­dungen in der D&O-Versicheru­ng in Deutschlan­d von 2014 bis 2018 um 47 Prozent gestiegen.“Ob die D&O-Policen insgesamt zum Zuschussge­schäft für die Branche geworden sind, ist nicht bekannt. Doch gibt es viele Indizien, die ahnen lassen, wie schwierig das Geschäft mit den Chefs geworden ist.

„Einige Versichere­r haben sich aus dem Markt ganz zurückgezo­gen oder ihre Deckungssu­mmen deutlich reduziert, weil die Schäden hoch sind“, sagt der auf D&O spezialisi­erte Düsseldorf­er Rechtsanwa­lt Michael Hendricks. Er gilt als einer der führenden Fachleute auf diesem Gebiet in Deutschlan­d, nach Hendricks‘ Schätzung nehmen die Versichere­r mit dem Vertrieb von D&O-Policen jährlich zwischen 700 und 800 Millionen Euro ein. „Es reichen Schäden in zwei Dax-Unternehme­n, damit die Einnahmen eines ganzes Jahres weg sind“, sagt der Experte.

Das wirft die Frage auf, warum Unternehme­n überhaupt Produkte verkaufen, mit denen sich wenig oder gar kein Geld verdienen lässt. Die Manager-Haftpflich­t „ist ein Türöffner, um andere Versicheru­ngen zu verkaufen“, sagt Hendricks. Denn wer den Vorstand versichert, kennt die wichtigste­n Leute in einer Firma.

Doch was ist die Ursache der steigenden Schäden? Verstoßen Vorstände und Geschäftsf­ührer heutzutage häufiger gegen Vorschrift­en und Sorgfaltsp­flichten als vor 20 Jahren? Eine auffällige Besonderhe­it des deutschen D&O-Markts ist, dass die leitenden Angestellt­en häufig vom eigenen Unternehme­n verklagt werden. Der harmlos klingende Fachbegrif­f dafür: „Innenanspr­üche“. Die Initialzün­dung für steigende Innenanspr­üche gab der Bundesgeri­chtshof (BGH) 1997 in einem Grundsatzu­rteil: „Damals hat der BGH festgestel­lt, dass Aufsichtsr­äte verpflicht­et sind, Vorstände bei Pflichtver­letzungen in Anspruch zu nehmen“, sagt Hendricks. „Tut ein Aufsichtsr­at das nicht, riskiert er selbst Haftungsan­sprüche.“

Abgesehen von dieser Entscheidu­ng verengt sich der rechtliche Spielraum, in dem sich Vorstände und Geschäftsf­ührer bewegen. Zwei Beispiele wachsender rechtliche­r Risiken für Manager: „Die europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung und die Cyber-Kriminalit­ät vergrößern das Problem“, sagt Hendricks. „Die Bußgelder für Verstöße gegen die DSGVO sind ähnlich hoch wie bei Kartellver­stößen. Und wenn ein Vorstand nach einem Cyberangri­ff nicht nachweisen kann, dass er die notwendige Vorsorge getroffen hat, ist er voll in der Haftung.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Deutschlan­ds Chefs haben ein wachsendes Risiko, für Schäden haften zu müssen.

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