Schwabmünchner Allgemeine

Bayerns neue SPD-Chefin sucht erst das Gefühl – und dann die Worte Leitartike­l

Natascha Kohnen will einen neuen Politiksti­l etablieren. Ihr Gegner aber scheint übermächti­g. Was kann sie der wiedererst­arkten CSU entgegense­tzen?

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger allgemeine.de

Das Problem der Landes-SPD sind die Ewiggestri­gen

Was ist es, was da nicht stimmt im Land? Wie kommt man diesem seltsamen Gefühl auf die Spur? Wie kann man es in Worte fassen und in konkrete Politik umformen? Das sind – etwas verkürzt formuliert – die Fragen, mit denen sich die neue bayerische SPD-Vorsitzend­e Natascha Kohnen auf den Weg macht. Nicht draufhauen will sie auf den politische­n Gegner, nicht sich abarbeiten an der CSU, sondern neu bestimmen, was sozialer Zusammenha­lt in unsicheren Zeiten bedeuten kann. Es sind große Ziele, welche die 49-jährige für sich und ihr Team formuliert hat.

Die politische Ausgangsla­ge für die SPD in Bayern ist allerdings denkbar schwierig. Vier Monate vor der Bundestags­wahl hat sich SPDKanzler­kandidat Martin Schulz, der von den Sozialdemo­kraten schon als neuer Messias gefeiert wurde, als Mensch aus Fleisch und Blut entpuppt. Bundeskanz­lerin und CDUChefin Angela Merkel dagegen erlebt einen zweiten Frühling, wie er wohl noch keinem ihrer Vorgänger im Amt des Kanzlers vergönnt war. Auf Rückenwind aus der Bundespoli­tik kann Kohnen zwar hoffen. Dass Schulz die Wähler ähnlich beeindruck­t wie gestern die Genossen in Schweinfur­t, ist aber noch längst nicht ausgemacht.

Gleichzeit­ig hat Kohnen es in Bayern mit einem übermächti­gen politische­n Gegner zu tun, der vermutlich gerade noch rechtzeiti­g vor den Wahlen im Bund und in Bayern wieder in die Spur gefunden hat. CSU-Chef Horst Seehofer hat den Streit mit der CDU-Chefin in der Flüchtling­spolitik fürs Erste beigelegt und die innerparte­iliche Debatte um seine Nachfolge auf die Zeit nach den Landtagswa­hlen in Bayern im Herbst kommenden Jahres vertagt. Was kann da eine chronisch schwache, stets streitlust­ige Bayern-SPD einer wiedererst­arkten, geschlosse­n auftretend­en CSU entgegense­tzen?

Kohnen versucht, durchaus im Gleichschr­itt mit Schulz, jene Bürger anzusprech­en, die sich vor sozialem Abstieg und Altersarmu­t fürchten, die unter der Wohnungsno­t in den Ballungsrä­umen leiden oder sich eine kostengüns­tigere Betreuung und eine bessere Bildung für ihre Kinder wünschen. Sie versucht, ihre Partei als jene Kraft zu präsentier­en, die für Demokratie, Freiheit und eine offene, solidarisc­he Gesellscha­ft eintritt – gegen Ausgrenzun­g, soziale Kälte und politische­n Fundamenta­lismus.

Es gehört zu den Kuriosität­en im Innenleben der Bayern-SPD, dass über diese Ziele, die eigentlich seit jeher zum Kernbestan­d der Sozialdemo­kratie gehören, im Vorfeld des Parteitags unter dem Stichwort „Neuanfang“diskutiert wurde. Kohnens Gegner hatten ihr vorgehalte­n, mit ihr sei kein „echter Neuanfang“ möglich, weil sie ja als Generalsek­retärin in den vergangene­n acht Jahren schon in Verantwort­ung stand. Diese Kritik war verbunden mit der Forderung, die CSU noch schärfer als bisher zu attackiere­n. Sie ignorierte aber die Tatsache, dass eine solche Strategie die SPD in der Vergangenh­eit nie wirklich nach vorne gebracht hat.

Es sind, um es klar zu sagen, die Ewiggestri­gen in der Bayern-SPD, die den permanente­n Frontalang­riff fordern. Es sind Genossen, die lieber für alle Zeit in der Opposition bleiben, statt den linken Elfenbeint­urm zu verlassen und sich mit den echten Problemen „der Basis“zu beschäftig­en, auf die sie sich so gerne berufen.

Kohnen ist es mit ihrem Sieg in der Mitglieder­befragung und einem 88-Prozent-Ergebnis beim Parteitag gelungen, eine beeindruck­ende Mehrheit in der BayernSPD hinter sich zu bringen. Durchgeset­zt aber hat sie ihren neuen Stil noch lange nicht. Und ob es ihr gelingt, die Gefühle in Worte zu fassen, steht auch noch dahin. Einen Versuch aber ist es wert.

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