Schwabmünchner Allgemeine

Zverev schafft die Sensation

Tennis Im Finale von Rom schlägt der 20-Jährige den großen Favoriten Novak Djokovic. Damit macht der Deutsche auch in der Weltrangli­ste einen großen Sprung nach vorne

- VON JÖRG ALLMEROTH

Rom In der Werbekampa­gne der Spielergew­erkschaft ATP ist er einer der großen Stars der „NextGenera­tion“-Kampagne, eins der jungen Tennis-Gesichter der Zukunft. Doch Alexander Zverev stellt die Zeitrechnu­ng in seinem Sport gerade äusserst tüchtig auf den Kopf, seine Karriere erhält in diesen Tagen eine Beschleuni­gung der fast schon unheimlich­en Art. Spätestens seit diesem 21. Mai, einem strahlend schönen Frühlingst­ag in Rom, muss sich erst recht niemand auf ein ungewisses Morgen vertrösten, wenn es um große Erfolgsmom­ente für den 20-jährigen Hamburger geht: „Es ist ein unglaublic­hes Erlebnis, ein unglaublic­her Sieg. Ein Tag, den ich nie vergessen werde“, sagte Zverev, als ihm beim Masters-Turnier in der italienisc­hen Kapitale sein bisher größtes Meister- und Kunststück gelungen war, ein formvollen­deter 6:4, 6:3-Sieg gegen Titelverte­idiger und Ex-Frontmann Novak Djokovic bei dem Topturnier.

Nicht allein der Sieg des deutschen Himmelsstü­rmers war eine Überraschu­ng, sondern mehr noch der abgebrühte, zupackende Auftritt im ersten größeren Endspiel seiner Laufbahn. „Fantastisc­h“nannte Djokovic den Finalvortr­ag des Deutschen, den er nach Matchende intensiv umarmte und beglückwün­schte: „Er hat Großes vor sich. Er ist auf dem Weg zu einem Champion.“Da paßte es ins Bild dieses Finaltages, dass der offizielle Zeremonien­meister für Zverev nach dem Sieg kein Geringerer als Rod Laver war, der zweimalige Gewinner des echten Grand Slams. Als ihm der Australier den Cup überreicht­e, konnte Zverev dann auch die Tränen der Rührung nicht mehr verbergen: „Ich bin überwältig­t“, sagte er, „mir fehlen wirklich die Worte.“

Es war ein denkwürdig­er Tag für Zverev, überhaupt aber für das deutsche Herrentenn­is. Denn mit Zverev gewann erstmals ein Spieler, der in den 90er Jahren geboren wurde, einen der bedeutende­n Titel auf der Tour – bisher hatten die Großen Vier mit Roger Federer, Rafael Nadal, Andy Murray und Novak Djokovic auch die Masters-Wettbewerb eisern in ihrem Griff gehabt. Djokovic und Nadal teilten sich zuletzt sogar elf der letzten zwölf Titel untereinan­der auf – und der Serbe unternahm in diesem Endspiel von Rom gar den Versuch, den 31. Rekordtite­l bei diesen Elitewettb­ewerben zu gewinnen. Doch der Mann, der von Anfang 2015 bis Mitte 2016 die überragend­ste Nummer 1 aller Zeiten gewesen war und auch den Rom-Titel in der vergangene­n Saison eingestric­hen hatte, war in der 2017er-Auflage der Internatio­nalen Meistersch­aften Italiens komplett chancenlos – und zwar, ohne selbst völlig enttäusche­nd zu spielen. Djokovic, der am Samstag noch Österreich­s Shootingst­ar Dominic Thiem kräftig im Halbfinale abgewatsch­t hatte und bei den French Open von Andre Agassi betreut werden wird, wirkte von Beginn an in der Defensive – nicht jemand, der das Spiel zu seinen Bedingunge­n antrieb. Sondern wie ein Getriebene­r, wie jemand, der seinen Willen, seine Spielidee partout nicht entfalten kann. Zverev servierte kontinuier­lich mit Präzision und Power. Bis zum Ende der Partie musste Zverev keinen einzigen Breakball abwehren, jede ansatzweis­e kritische Situation regelte er mit dieser verblüffen­den Coolness, die ihm inzwischen zu eigen ist. Vor 16 Jahren gewann Tommy Haas als letzter Deutscher einen dieser begehrten Masters-Titel, damals noch bei den Stuttgarte­r Eurocard Open. Haas, der gerade auf einer Abschiedst­ournee unterwegs ist, war auch der letzte DTB-Profi, der einen der Top Ten-Plätze im Eliterevie­r des Wanderzirk­us belegte, vor zehn Jahren. Dass er in einer der Tennisepoc­he, in der Karrieren oft erst Mitte Zwanzig Fahrt aufnehmen, nun schon in den Top Ten aufgeliste­t ist, spricht für Zverevs Klasse – und seine Perspektiv­e im Welttennis. Viele große Talente scheiterte­n in den letzten Jahren, sogar Jahrzehnte­n aus vielerlei Gründen, mal lähmte der Erwartungs­druck, mal stimmte das persönlich­e Umfeld nicht. Zverev hat seine Verhältnis­se inzwischen wohlgeordn­et, er beschäftig­t neben einem persönlich­en Fitneßtrai­ner auch einen eigenen Physiother­apeuten.

Seit Wochen spielt er auf höchstem Niveau, ohne dass man ihm die Strapazen ansieht. „Das Wissen, das man physisch alles durchsteht, gibt einem große innere Beruhigung“, sagt Zverev. Einen Nebeneffek­t hat der große Tag von Rom auch: Der Tennis-Kaiser aus dem Foro-Italico wird nun auch als Mitfavorit für die French Open gehandelt.

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Foto: Tiziana Fabi, afp Mit dem Sieg im Finale von Rom ist Alexander Zverev in den Top Ten angekommen.
 ?? Foto: Tiziana Fabi, afp ?? Der einstige Weltrangli­sten Erste Novak Djokovic musste sich dem jungen Deutschen in zwei Sätzen geschlagen geben.
Foto: Tiziana Fabi, afp Der einstige Weltrangli­sten Erste Novak Djokovic musste sich dem jungen Deutschen in zwei Sätzen geschlagen geben.

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