Schwabmünchner Allgemeine

Woisch no So lief’s früher in Augsburg

Die Nachkriegs­jahre waren eine Ausnahmeze­it. Doch der Mangel an Luxus sorgte nicht für Frust. Autor Silvano Tuiach erinnert sich an die 50er, 60er und 70er – und an seine erste Jeans / Serie

- VON SILVANO TUIACH

Die Menschen, die hierzuland­e, in Augsburg – sagen wir zwischen 1945 und 1955 – geboren wurden, haben in der jüngeren deutschen Geschichte eine Ausnahmeze­it miterlebt. Auf den Trümmern eines zerstörten Deutschlan­ds ging es nach der Währungsre­form stetig bergauf. Viele Leute wohnten nach dem Krieg noch in Baracken (auch der Autor dieser Zeilen tat dies bis 1954), aber bald konnten die allermeist­en aus der „ökonomisch­en Unterschic­ht“in Steinhäuse­r umziehen. Natürlich war das Leben, das Aufwachsen in dieser Zeit kein Zuckerschl­ecken, und die Mühe, Wohlstand und Sicherheit zu erreichen, war beträchtli­ch. Aber – und das ist auch das Wunderbare an dieser Zeit – der Mangel an so vielem erzeugte keine frustriert­en Menschen. Der Mangel erzeugte Fleiß und in den 50er Jahren begann es auch, dass sich die Situation der Nachkriegs­bewohner stetig zum Besseren wendete.

Ich vermute, ein großer Teil der damaligen Bürger hatte kein eigenes Bad und oft noch eine Gemeinscha­ftstoilett­e („Abort“sagte man damals) auf dem Gang. Aber so langsam konnte man sich ein Auto leisten, einen Kühlschran­k und eine Waschmasch­ine, wenn auch die meisten Frauen in dieser Zeit noch die Wäsche per Hand in der „Waschkuch’“gewaschen haben.

Der „Block“war für viele Augsburger das erste Zuhause. Oft arbeiteten beide Elternteil­e (Doppelbela­stung der Ehefrauen) und die Kinder waren sogenannte „Schlüsselk­inder“, die die Nachmittag­e nach der Schule allein zu Hause verbringen mussten. Damals wartete noch keine Mama mit dem SUV vor der Schule. Doch im Großen und Ganzen war die Welt der Kinder damals ungetrübt – wenn auch Kinderscho­kolade und Gummibärch­en noch keine Alltagssch­leckerei waren. Die Schule war nicht gänzlich ein heiterer Ort. Viele cholerisch­e Lehrer prügelten damals noch an den (Zwerg-)Schulen. Hosenspann­er und Tatzen gehörten zum Schulallta­g.

So langsam gewann der Sport wieder an Bedeutung. Als ich zwölf Jahre alt war, wollte ich in Steppach dem Fußballver­ein beitreten, die Bedingung war aber, dass man richtige Fußballsch­uhe vorweisen konnte. So sparte ich mir die Schuhe zehnpfenni­gweise in einem halben Jahr zusammen. Machte für die älteren Bewohner im Block Einkäufe und kehrte den Hof. So lange, bis ich die rund 40 Mark für die Schuhe (gekauft bei Schuh-König an der Wertachbrü­cke) zusammenha­tte.

Meine erste Jeans (ich glaube, das war 1964) kostete etwa 15 Mark und die gab es bei Eberle und Strobl an der Donauwörth­er Straße in Augsburg – ein Geschäft, das eigentlich Arbeitskle­idung verkaufte. Ja, und dann die Lehre. „Lehrjahre sind keine Herrenjahr­e.“Dieser Satz wurde den damals 14-Jährigen, die die Volksschul­e verließen, frühzeitig eingebläut. 70 Mark verdiente ich damals im ersten Lehrjahr als Buchdrucke­rlehrling in der Druckerei Mühlberger.

Die legte ich so lange auf die Seite, bis ich mir – was eigentlich Wahnsinn war – bei Jesse ein Sakko für 280 Mark kaufen konnte. (In der „Kaufhalle“hätte ich für das gleiche Geld wahrschein­lich fünf Anzüge bekommen.) Bald danach kamen die Schlaghose­n, und die „Beatmusik“begann uns in den Bann zu ziehen.

Der Autor Silva no Tuiach ist Jahr gang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, inzwi schen lebt er in Neusäß. Der Kabaret tist ist auch als Herr Ranzmayr be kannt, einem „Augschburg­er“in Rein form. Zu hören ist er jede Woche bei Hit radio rt.1.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Ein Blick zurück in vergangene Zeiten. In den 1950er Jahren entstanden in der Maximilian und in der Karolinens­traße die ersten Behelfsbau­ten. Sie ersetzten die Häuser, die im Krieg zerstört worden waren. Es handelte sich um Flachdach Provisorie­n....
Foto: Sammlung Häußler Ein Blick zurück in vergangene Zeiten. In den 1950er Jahren entstanden in der Maximilian und in der Karolinens­traße die ersten Behelfsbau­ten. Sie ersetzten die Häuser, die im Krieg zerstört worden waren. Es handelte sich um Flachdach Provisorie­n....
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany