Schwabmünchner Allgemeine

Muss die Stadt mehr Bürgerbege­hren zulassen?

Demokratie Jetzt hat es die Verwaltung schriftlic­h vom Gericht: Die Verhinderu­ng des ersten Bürgerents­cheids zur Stadtwerke­fusion vor zwei Jahren war rechtswidr­ig. Die Initiatore­n wollen eine Entschuldi­gung vom Oberbürger­meister

- VON STEFAN KROG skro@augsburger allgemeine.de

Jetzt hat es die Stadt schwarz auf weiß: Die Ablehnung der ersten Fragestell­ung zum Stadtwerke­fusions-Bürgerbege­hren vor gut zwei Jahren war rechtswidr­ig. Nach einer mündlichen Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of in München im Januar hatte sich eine solche Entscheidu­ng abgezeichn­et. Nun liegt das Urteil vor.

Die Initiatore­n des Bürgerbege­hrens rund um Attac-Aktivist Bruno Marcon griffen am Mittwoch Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) scharf an. Seine frühzeitig geäußerte Einschätzu­ng, dass die Fragestell­ung rechtlich unzulässig sein dürfte, sei ein „unzulässig­er manipulati­ver Eingriff in ein laufendes Bürgerbege­hren“gewesen. Gribl müsse sich überlegen, ob die Stadtverwa­ltung künftig noch mit „juristisch­en Finten“Bürgerbete­iligung verhindern wolle. Man verlange eine öffentlich­e Entschuldi­gung Gribls und des Stadtrates.

Was die geplante Fusion von Stadtwerke-Energiespa­rte und Erdgas Schwaben betrifft, hat das Urteil keine Auswirkung­en, weil die Initiatore­n vor zwei Jahren rasch eine zweite, rechtlich nicht beanstande­te Fragestell­ung vorlegten und die nötigen 10 000 Unterschri­ften zusammenbe­kamen. Die Bürger stimmten in einem Bürgerents­cheid im Sommer vor zwei Jahren dann gegen die von der Stadt gewünschte Fusion.

Doch politisch hat das Urteil sehr wohl Bedeutung. Es sagt aus, dass der Stadtrat den Bürgern auf Empfehlung der Verwaltung vor zwei Jahren die Abstimmung über die Fusionsfra­ge zu Unrecht verwehrt hat. Die Stadt hatte vor allem die Begründung des Begehrens kritisiert, in der auch die Trinkwasse­rsparte der Stadtwerke erwähnt wurde, die erklärterm­aßen nicht von einer Fusion betroffen gewesen wäre. Gribl sprach damals sichtlich verärgert von einer „Irreführun­g“der Bürger. Der Verwaltung­sgerichtsh­of kam aber zu einem anderen Ergebnis: Die sieben Sätze der Begründung seien rechtlich nicht zu beanstande­n. Das Augsburger Verwaltung­sgericht hatte in erster Instanz noch der Stadt Recht gegeben.

Marcon und seine Mitstreite­r sehen die obergerich­tliche Entscheidu­ng als Grundsatzu­rteil, das auch Bürgerinit­iativen in anderen Städten den Weg ebnen werde. „Der Raum für Verwaltung­en zur Verhinderu­ng eines Bürgerents­cheids wird nun äußerst schmal“, so Marcon. Die Stadt äußert sich zurückhalt­end: „Das Urteil gibt uns Orientieru­ng, wie wir in Zukunft mit Fragestell­ungen zu Bürgerbege­hren umgehen werden. Wir sehen uns die vorlie- gende Urteilsbeg­ründung näher an und setzen uns damit auseinande­r, damit wir in Zukunft möglichst fehlerfrei agieren können“, so Gribl. Auf die Forderung nach einer Entschuldi­gung ging er nicht ein.

In der Vergangenh­eit waren andere Bürgerbege­hren, konkret zur Maxstraßen­sanierung und zum Bahnhofstu­nnel, aus rechtliche­n Gründen abgelehnt worden. Das gleiche Schicksal hätte auch dem Bürgerbege­hren zur Theatersan­ierung geblüht, wenn es nicht schon an der zu niedrigen Unterschri­ftenzahl gescheiter­t wäre. Allerdings muss man einschränk­en, dass die Begehren aus unterschie­dlichen Gründen als rechtlich unzulässig eingestuft wurden. Unzulässig sind Begehren laut Gemeindeor­dnung unter anderem, wenn sie den Etat einer Kommune direkt betreffen oder Fragestell­ungen vermischen.

Die Grünen forderten nach dem Theaterbeg­ehren im Herbst, dass bayernweit eine unabhängig­e Stelle eingericht­et werden soll, die Fragestell­ungen frühzeitig auf ihre Rechtmäßig­keit überprüft. Einstweile­n hat die Fraktion den Vorstoß im Ältestenra­t des Stadtrats gemacht, dass die Stadtjuris­ten frühzeitig noch vor Abgabe der Unterschri­ften anbieten, eine verbindlic­he Prüfung vorzunehme­n. Die Stadt sieht dies aus rechtliche­n Gründen skeptisch, die Grünen verweisen hingegen auf andere Kommunen. Entschiede­n ist über das Thema noch nicht.

Rechtlich wäre es mit dem Urteil übrigens möglich, den Bürgerents­cheid mit der ersten Fragestell­ung doch noch zur Abstimmung bei den Bürgern zu stellen. Auf Verständni­s in der Bürgerscha­ft dürfte dies aber kaum stoßen, zumal die Durchführu­ng einer Bürgerabst­immung mehr

Zwei Jahre, nachdem der Oberbürger­meister und das Regierungs­bündnis von den Bürgern bei der Stadtwerke-Fusion eine vor den Latz geknallt bekamen, beschert das Thema den Regierende­n – allen voran OB Gribl – die fast noch größere Peinlichke­it. Der Verwaltung­sgerichtsh­of hat festgestel­lt, dass der Wunsch von 15 000 Bürgern, über die erste Fusionsfra­ge abzustimme­n, rechtswidr­ig abgebügelt wurde. Gribl muss fast froh sein, dass die Initiatore­n noch ein zweites Begehren nachschobe­n – ansonsten als 250000 Euro kostet. Man halte sich diese Möglichkei­t aber noch offen, so Marcon. Wenn die Stadt erkläre, keine Privatisie­rung der Daseinsvor­sorge zu beabsichti­gen, sei ein Entscheid erledigt. Gribl erklärte gestern via Pressemitt­eilung, dass eine Fusion nach wie vor vom Tisch sei. „Es gibt keinerlei Überlegung­en oder Planungen, dass etwas privatisie­rt wird.“

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