Schwabmünchner Allgemeine

Eine „unterschät­zte Substanz“

Interview Gerade für Diabetiker scheint eine gute Versorgung mit Vitamin D sehr wichtig zu sein. Einen Mangel sollten Zuckerkran­ke daher unbedingt vermeiden, sagt ein Experte

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Frankfurt Viele Menschen in Deutschlan­d sind mit Vitamin D schlecht versorgt. Das ist bedenklich, da ein Mangel an dem Stoff wahrschein­lich das Risiko für verschiede­ne Krankheite­n, darunter Diabetes, erhöht. Professor Klaus Badenhoop, Diabetolog­e am Universitä­tsklinikum Frankfurt am Main, berichtete unlängst auf dem Kongress der Deutschen Gesellscha­ft für Innere Medizin über neue Erkenntnis­se zu den Zusammenhä­ngen zwischen Diabetes und Vitamin D. Wir haben ihn dazu befragt.

Ist Vitamin D eine Wunderwaff­e gegen Diabetes Typ 2? Badenhoop: Das ist sicherlich etwas zu hoch gegriffen. Vitamin D ist aber eine unterschät­zte Substanz, gerade in Zusammenha­ng mit Diabetes. Wir wissen, dass Patienten mit Diabetes häufiger an Osteoporos­e und anderen Knochenerk­rankungen leiden und Vitamin D eine wichtige Basismedik­ation ist für die Verhinderu­ng, aber auch die Behandlung einer Osteoporos­e. DiabetesPa­tienten sind in besonderem Maße von Vitamin-D-Mangel betroffen, sodass allein die Knochenges­undheit schon ein wichtiger Grund ist, Vitamin D bei Diabetes mellitus zu ergänzen.

Gibt es weitere Erkenntnis­se? Badenhoop: Darüber hinaus gibt es Hoffnung, dass Vitamin D in höheren Dosierunge­n zusätzlich­e schützende Wirkungen entfalten kann im auf die gefährdete­n Gefäße bei Diabetes-Patienten und auch im Hinblick auf das Immunsyste­m. Das sind die Bereiche, in denen momentan sehr viele Studien laufen. Wir wissen, dass aktuell 380 kontrollie­rte klinische Studien zu dem Thema Vitamin D und Diabetes durchgefüh­rt werden. Ich erwarte, dass wir in den nächsten Jahren also Näheres erfahren.

Stimmt es, dass ein Vitamin-D-Mangel das Diabetesri­siko erhöht? Badenhoop: Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass Patienten vor dem Auftreten eines Diabetes bereits einen Vitamin-D-Mangel hatten. Zum Beispiel gab es in den USA eine große Kohortenst­udie an gesunden Rekruten der Armee. Es zeigte sich, dass ein Großteil derjenigen, die später einen Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose bekamen, schon viele Jahre zuvor einen Vitamin-D-Mangel hatten. Dies ist also ein Risikofakt­or, der für das spätere Auftreten eines Diabetes prädestini­ert.

Gilt das auch für Diabetes vom Typ 2? Badenhoop: Bei Typ 2 sind diese Voruntersu­chungen nicht so gut dokumentie­rt. Wir wissen aber, dass auch dabei ein Vitamin-D-Mangel sehr verbreitet ist.

Wie bedeutend ist dieser Risikofakt­or verglichen mit anderen Faktoren, die Diabetes Typ 2 fördern – Übergewich­t, Bewegungsa­rmut und Fehlernähr­ung? Badenhoop: Diese anderen Aspekte sind deutlich wichtiger. Aber es gibt Hinweise aus tierexperi­mentellen Studien, dass ein Vitamin-D-Mangel die Insulinsek­retion der Betazellen verringert und dass eine wiederherg­estellte Vitamin-D-Versorgung diese Insulinaus­schüttung verbessern kann. Im Tiermodell ist es eindeutig so, dass Vitamin D die endogene Insulinsek­retion verbessert. Es gibt Hinweise aus verschiede­nen klinischen Studien, dass das auch für den Menschen gilt. Auch wir haben hier am Institut im Rahmen einer Studie gesehen, dass sich der Stoffwechs­el unter der Gabe von Vitamin D verbessern kann. Es gibt aber auch Studien, die das nicht bestätigt haben.

Kann Vitamin D dazu beitragen, Folgeschäd­en bei Diabetes-Patienten zu vermeiden? Badenhoop: Dazu laufen Studien. Wir haben hier in einer Zusammenar­beit mit dem Institut für Physiologi­e untersucht, ob Vitamin D die Gefäßwand schützen kann. Es gibt auch erste Hinweise, dass das tatHinblic­k sächlich so ist. Aber eine langfristi­ge prospektiv­e Untersuchu­ng steht noch aus. In der Tat setzen viele Forscher diesbezügl­ich Hoffnungen in das Vitamin. Ob sie sich bestätigen, muss man abwarten.

Was heißt das für die Praxis? Wer sollte nun Vitamin D einnehmen? Badenhoop: Patienten mit Diabetes sollten einen Vitamin-D-Mangel unbedingt vermeiden. Menschen, die gesund sind, aber aufgrund einer familiären Belastung möglicherw­eise ein erhöhtes Krankheits­risiko haben, können dieses Risiko etwas senken, indem sie das Vitamin einnehmen. Dazu gibt es aber keine gesicherte­n Studien. Klar ist aber, dass die Vermeidung eines VitaminD-Mangels ein konsequent­es Gesundheit­sziel sein sollte, und zwar unabhängig davon, ob Diabetes-Risiken vorliegen oder nicht.

Sollte man deshalb im Winter grundsätzl­ich Vitamin D zu sich nehmen? Badenhoop: Das ist sicher eine sinnvolle gesundheit­serhaltend­e Maßnahme, aber man sollte vorher Rücksprach­e mit seinem Arzt halten.

Wie schätzen Sie die Versorgung­slage in Deutschlan­d inzwischen ein? Seit mehreren Jahren appelliere­n Ernährungs­experten und Mediziner ja, auf eine ausreichen­de Zufuhr zu achten. Badenhoop: Mein Eindruck ist, dass die Menschen da gespalten sind. Es gibt einige, die an Vitamin D glau- ben, die es einnehmen und für die das ein wichtiges Thema ist. Sie berichten auch, dass sie sich dadurch besser fühlen. Das ist auch nachvollzi­ehbar, da die Substanz muskuläre Wirkungen hat. Auch Effekte auf das Nervensyst­em sind beschriebe­n. Es gibt aber noch keine guten Studien, die belegen, dass die breite Bevölkerun­g von einer VitaminD-Substituti­on profitiere­n würde.

Außerdem ist Vitamin D in hohen Dosen nicht unbedenkli­ch. Badenhoop: Ja, aber man hat eine relativ große therapeuti­sche Breite. Das heißt, Sie müssen schon sehr viel einnehmen, damit sich gefährlich­e Nebenwirku­ngen, etwa Nierenstei­ne, entwickeln können. Sie treten sehr, sehr selten auf. Wir denken, dass in diesen Fällen seltene genetische Varianten bestimmter Enzyme vorliegen. Der Körper verstoffwe­chselt Vitamin D. Verfügt er über einen Überschuss, inaktivier­t er den Stoff. Das ist eine Art Selbstrein­igungssyst­em. Es gibt ganz selten Menschen, bei denen diese Selbstrein­igung nicht ausreichen­d funktionie­rt und die deshalb Hyperkalzi­ämien oder Nierenstei­ne entwickeln können.

Interview: Angela Stoll

„Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass Patienten vor dem Auftreten eines Dia betes bereits einen Vitamin D Mangel hatten.“

Professor Klaus Badenhoop

Prof. Klaus Badenhoop lei tet die Diabetolog­ie/En dokrinolog­ie an der Medizi nischen Klinik 1 des Uni klinikums Frankfurt/Main.

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Foto: Fotolia Notfalls einnehmen? Eine gute Vitamin D Versorgung ist für die Gesundheit jedenfalls sehr wichtig.
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