Schwabmünchner Allgemeine

Macht Donald Trump jetzt Ernst?

Interview Nach der Klimawende wächst die Sorge, dass der US-Präsident nun seine umstritten­e Agenda umsetzt. Der Washington­er Politik-Experte Mark Rozell warnt davor, ihn zu unterschät­zen. Er sei cleverer, als viele denken

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Herr Professor Rozell, Sie verfolgen seit Jahrzehnte­n aus nächster Nähe die Arbeit der US-Präsidente­n. Ist die Wende beim Klimaschut­z ein Zeichen, dass Donald Trump jetzt Ernst macht und seine umstritten­e politische Agenda tatsächlic­h in die Tat umsetzt? Mark Rozell: Der Präsident denkt, dass er seiner politische­n Basis Loyalität schuldet. Das bedeutet, er versucht, viele seiner Verspreche­n weiterzuve­rfolgen, die er im Wahlkampf gemacht hat. Der Rücktritt von internatio­nalen Vereinbaru­ngen war unverkennb­ar eines seiner Verspreche­n. So kommt die Ankündigun­g, dass er die USA aus dem Pariser Klimaabkom­men zurückzieh­en will, nicht überrasche­nd. Sie signalisie­rt, dass er es ernst meint, seine Agenda voranzutre­iben.

Auch Trumps Blockadeha­ltung auf dem G7-Gipfel hat besonders in Europa große Irritation­en und Zweifel an der Verlässlic­hkeit der USA ausgelöst. Wie bewerten Sie Trumps Auftreten? Rozell: Der US-Präsident hat es tatsächlic­h geschafft, die wichtigste­n Verbündete­n zu entfremden. Es gab kaum wirkliche Fortschrit­te bei gemeinsame­n Streitfrag­en. Ein paar Spannungen zwischen den Anführern verbündete­r Staaten hat es zwar immer gegeben. Aber es ist mehr als besorgnise­rregend, wenn internatio­nale Partner, die den USA freundscha­ftlich verbunden sind, nun andeuten, dass Amerika kein verlässlic­her Partner mehr ist. Für viele Beobachter hat es den Eindruck, dass sich Donald Trump oft unprofessi­onell und impulsiv verhält. Was sagen Sie als Politikwis­senschaftl­er: Ist das politische Unerfahren­heit oder vielmehr Kalkül? Rozell: Trump wurde Präsident, weil er anders war. Weil er nicht nach den herkömmlic­hen Regeln des politische­n Washington­s spielt. Das ist kalkuliert. Denn er weiß ganz genau: Was Experten als Chaos oder Unprofessi­onalität interpreti­eren, ist für seine Anhänger authentisc­h und erfrischen­d.

Ist Trump also cleverer, als ihm viele Kritiker zutrauen? Rozell: Ja, das denke ich. Er versteht es, effektiv Leute hinter sich zu bringen, indem er komplett anders ist als der politische Rest. Und das macht er mit voller Absicht so.

Trump versteht es, Nebenschau­plätze aufzutun – etwa wenn er Kritik als „Fake News“abtut. Meint er das ernst oder will er von anderen Dingen ablenken? Rozell: Ablenken ist auf jeden Fall Teil seiner Strategie. Wenn er andere, etwa die Medien, zum Problem macht, manövriert er die Dinge in den Hintergrun­d, die er nicht imstande ist zu leisten.

Viele stellen den bisherigen Regierungs­monaten ein schlechtes Zeugnis aus. Hat Trump bislang zu wenig erreicht oder war die Zeit zu kurz? Rozell: Im Wahlkampf hat er versproche­n, viele Dinge schnell zu ändern. Er hatte sogar einen 100-TagePlan. Umgesetzt hat er davon nichts. Wenn überhaupt, dann nur in Form von Dekreten. Ohne den Kongress kann ein Präsident jedoch keine Politik machen. Trump ist es zumindest gelungen, große Teile der Öffentlich­keit, die sich bislang nicht für Politik interessie­rt haben, zu mobilisier­en. Auch wenn die Nation gespalten ist – immerhin schauen die Leute hin und versuchen, sich zu engagieren. Trump hält die Öffentlich­keit vor allem über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter auf dem Laufenden. Können Sie seine ersten Monate als Präsident in 140 Zeichen zusammenfa­ssen? Rozell: Das ist in dieser Kürze sehr schwierig. Vielleicht ist das Teil des Problems. Aber die Frage trifft den Kern. Wie der Präsident mit der amerikanis­chen Öffentlich­keit kommunizie­rt, ist bislang einzigarti­g: sehr einfach, meinungsge­trieben und ohne viele Details.

Ist das wirklich neu für einen US-Präsidente­n? Rozell: Manche haben schon versucht, die Medien zu umgehen. Meistens, indem sie sich in Reden direkt an das Volk gewandt haben. Das Phänomen Twitter ist relativ neu, deshalb kann man es nur schlecht vergleiche­n. Aber dennoch, eine solche Art, zu kommunizie­ren, wie es Trump praktizier­t, gab es bislang nicht. Ein Präsident sollte die Würde seines Amtes hochhalten, wenn er zur Öffentlich­keit spricht. Davon ist nichts mehr übrig.

Seine Anhänger feiern Trump nach wie vor. Fast alle würden ihn wieder wählen. Auf der anderen Seite sorgen sich viele vor der Zukunft mit ihm. Woher kommt diese Spaltung in der Gesellscha­ft? Rozell: Trump hat einen einzigarti­gen Vorteil: Seine Anhänger unterstütz­en ihn sehr stark und loyal. Wer das nicht versteht, wartet nur darauf, dass sich seine Fans enttäuscht von ihm abwenden, weil er seine Verspreche­n nicht einlöst. Aber das wird so schnell nicht passieren. Seine Anhänger glauben an ihn. Sie sind überzeugt, dass er irgendwie die Probleme lösen wird. Und sie haben Verständni­s, dass es im amerikanis­chen System schwierig ist, Vorhaben umzusetzen. Außerdem haben sie Trumps Sicht übernommen: Schuld sind immer die anderen.

Wird Donald Trump mit dieser Taktik durchkomme­n? Rozell: Die Gefahr ist: Er hat große Hoffnung unter Menschen entfacht, die ebenso frustriert wie verletzlic­h sind. Gerade die werden irgendwann merken, dass er keine Antworten auf ihre Probleme hat. Ich vermute, das wird noch zwei bis drei Jahre dauern. Trump hat viel versproche­n. Sogar mehr, als im US-Wahlkampf eh schon an Übertreibu­ng üblich ist. Nach drei Monaten ist das noch kein Problem. Nach drei Jahren wird ihm das zum Verhängnis.

Interview: Andreas Schopf

Zur Person Mark Rozell ist Politikwis senschaftl­er an der Washington­er George Mason University. Der 57 Jährige hat zahl reiche Bücher über die Ar beit der US Präsidente­n geschriebe­n. Kürzlich war Rozell Gast an der Uni versität Augsburg.

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